Sara Levy

Julia Neumann

Thursday, September 29, 2016

Der heutige Beitrag zu unserer Serie RISM A-Z stammt von Julia Neumann, Staatsbibliothek zu Berlin - Preußischer Kulturbesitz.

Begabte Cembalistin, eifrige Sammlerin von Musikquellen, Repräsentantin der frühen Bach-Pflege, Berliner Salonnière und nicht zuletzt Großtante von Felix Mendelssohn Bartholdy – der Buchstabe L führt uns heute zu einer der vielseitigsten Musikförderinnen des späten 18. und frühen 19. Jahrhunderts: Sara Levy (auch Levi oder Löwy geschrieben).

Sara Levy wurde 1761 als zehntes Kind des Berliner Bankiers und Hofjuden Daniel Itzig und seiner Frau Miriam, geb. Wulff, geboren. Daniel Itzig hatte als „Finanz-Entrepreneur“ Friedrichs des Großen eine Ausnahmestellung im Preußischen Staat inne; entsprechend repräsentativ nahm sich auch das „Itzig’sche Palais“ in direkter Nähe des Berliner Schlosses aus. Die Eltern legten großen Wert auf eine umfassende Bildung ihrer insgesamt 16 Kinder, dabei spielte vor allem die Musik eine zentrale Rolle. Früh wurde das Werk Johann Sebastian Bachs in der Familie gepflegt – sicher maßgeblich angeregt durch den Bach-Schüler Johann Philipp Kirnberger, der Sara Levys ältere Schwester Bella Salomon, die Großmutter Felix Mendelssohn Bartholdys, im Klavierspiel unterrichtete. Zu Sara Levys Musiklehrern wiederum soll der älteste Bach-Sohn Wilhelm Friedemann gehört haben.

Bereits im elterlichen Palais trat Sara Levy anlässlich musikalischer Gesellschaften als Cembalistin in Erscheinung, häufig gemeinsam mit der nur ein Jahr älteren Schwester Zippora. Nach ihrer Hochzeit mit dem Bankier Samuel Salomon Levy im Jahr 1783 spielte sie gelegentlich im Rahmen der sog. „Fliessischen Koncerte“ und begann wenig später auch bereits, einen eigenen Salon zu führen. In diesem Salon, den sie bis zu ihrem Tod im Jahr 1854 führte, verkehrten zahlreiche Berliner Musiker, Literaten, Künstler und Intellektuelle der damaligen Zeit.

Ab etwa 1806 richteten sich Sara Levys musikalische Aktivitäten zunehmend auf die Sing-Akademie zu Berlin, die damals von Carl Friedrich Zelter geleitet wurde. Gemeinsam mit dem der Sing-Akademie angegliederten Instrumental-Ensemble, der sog. „Ripien-Schule“, brachte sie zwischen 1807 und 1815 etliche Cembalo- bzw. Klavierkonzerte der Bach-Söhne (aber auch anderer Komponisten) zu Gehör.

Sara Levy gab aller Wahrscheinlichkeit nach Werke bei den beiden ältesten Bach-Söhnen Wilhelm Friedemann und Carl Philipp Emanuel in Auftrag und regte daneben auch Joseph Haydn zu Kompositionen an. Sie subskribierte etliche Drucke mit anspruchsvoller Tastenmusik (auch von Johann Christoph Friedrich und Johann Christian Bach) und beförderte auf diese Weise mäzenatisch die Verbreitung der Musik der Bach-Söhne.

Im Laufe ihres langen Lebens – sie wurde 93 Jahre alt – trug sie eine umfangreiche Sammlung wertvoller Musikhandschriften und -drucke zusammen, darunter mehrere Autographe der Bach-Söhne, aber auch Quellen mit Werken von Carl Heinrich und Johann Gottlieb Graun, Johann Gottlieb Janitsch, Georg Philipp Telemann, Johann Joachim Quantz und anderen. Große Teile dieser Sammlung gab sie allerdings schon zu Lebzeiten an die Sing-Akademie zu Berlin ab; die bei ihr verbliebenen Quellen gingen nach ihrem Tod zunächst an Zwischenbesitzer, wurden nachfolgend durch Veräußerung jedoch in die ganze Welt verstreut.

Der an die Sing-Akademie zu Berlin gegangene Teil ihrer Notensammlung kann seit 2002 – dem Jahr der Rückkehr des Archivs aus Kiew nach Deutschland – in der Staatsbibliothek zu Berlin erforscht werden und ist außerdem vollständig im RISM-OPAC erschlossen. Zurzeit verzeichnet der RISM-OPAC insgesamt 457 Werke in Quellen, die mit Sara Levy als Vorbesitzerin in Verbindung stehen.

Musikhandschriften aus ihrem Besitz tragen oft einen kleinen Rundstempel, auf dem das Monogramm „SSLev“ zu sehen ist (s. Abb. 2); das verschlungene Doppel-S im Monogramm deutet laut neueren Erkenntnissen daraufhin, dass der Besitzstempel von den Eheleuten Samuel und Sara Levy gemeinsam verwendet worden sein könnte. Auch findet sich gelegentlich der Namenszug „Sara Levy geb Itzig“ auf den Titelseiten der in ihrem Besitz befindlichen Quellen (s. Abb. 3).

Levy ownership stamp

Abbildung 2: Kleiner Rundstempel mit Monogramm „SSLev“ von Samuel und Sara Levy (aus: SA 3136, Sing-Akademie zu Berlin, RISM ID no. 469313600)

Levy signature

Image 3: Eigenhändiger Namenszug: “Sara Levy geb Itzig“ (aus :Mus.ms. Bach P 703, Staatsbibliothek zu Berlin Preußischer Kulturbesitz – Musikabteilung mit Mendelssohn-Archiv)

Literatur (Auswahl):

Bartsch, Cornelia: “Levy, Sara”, in: MUGI. Musikvermittlung und Genderforschung: Lexikon und multimediale Präsentationen, hg. von Beatrix Borchard und Nina Noeske, Hochschule für Musik und Theater Hamburg, 2003ff. Stand vom 29. Juni 2014.

Wollny, Peter: „Ein förmlicher Sebastian und Philipp Emanuel Bach-Kultus“. Sara Levy und ihr musikalisches Wirken. Mit einer Dokumentensammlung zur musikalischen Familiengeschichte der Vorfahren von Felix Mendelssohn Bartholdy. Wiesbaden: Breitkopf & Härtel 2010. (= Beiträge zur Geschichte der Bach-Rezeption, herausgegeben vom Bach-Archiv Leipzig, Bd. 2).

Henzel, Christoph: „Die Musikalien der Sing-Akademie zu Berlin und die Berliner Graun-Überlieferung.“ In: Jahrbuch des Staatlichen Instituts für Musikforschung Preußischer Kulturbesitz 2002, Mainz [u.a.]: Schott 2004, S. 60–106.

Wollny, Peter: Artikel „Levy, Sara“. In: Die Musik in Geschichte und Gegenwart, Allgemeine Enzyklopädie der Musik begründet von Friedrich Blume, zweite neubearbeitete Ausgabe, hg. von Ludwig Finscher, Personenteil, Bd. 11, Kassel [u.a.]: Bärenreiter, und Stuttgart/Weimar: Metzler 2004, Sp. 44-45.

Bach-Archiv Leipzig / Internationale Mendelssohn-Stiftung (Hg.): „‚Bach-Kultus’ in Berlin um 1800. Sara Levy und ihr musikalisch-literarischer Salon“. In: Katalog zur Ausstellung im Gartenhaus des Mendelssohn-Hauses Leipzig vom 30. Oktober bis 15. Dezember 2002.

Wollny, Peter: „‚Ein förmlicher Sebastian und Philipp Emanuel Bach-Kultus’. Sara Levy, geb. Itzig und ihr literarisch-musikalischer Salon“. In: Anselm Gerhard (Hg.): Musik und Ästhetik im Berlin Moses Mendelssohns. Tübingen: Max Niemeyer 1999 (= Wolfenbütteler Studien zur Aufklärung, Bd. 25, hg. v. der Lessing-Akademie), S. 217–255.

Wollny, Peter: „Sara Levy and the Making of Musical Taste in Berlin“, In: The Musical Quarterly, Jg. 77, 1993, S. 651–688.

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Kategorie: RISM A-Z


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