Das neue Köchel-Verzeichnis
Thursday, September 19, 2024
Heute Vormittag wurde die lang erwartete Neuauflage des Köchel-Verzeichnisses im Großen Saal der Internationalen Stiftung Mozarteum in Salzburg der Öffentlichkeit vorgestellt. Die Neuausgabe wurde von Neal Zaslaw, Professor an der Cornell University (Ithaca, New York), erarbeitet und von der Wissenschaftlichen Abteilung der Internationalen Stiftung Mozarteum unter Leitung von Dr. Ulrich Leisinger minutiös für den Druck vorbereitet.
Ludwig Ritter von Köchel legte 1862 die erste Auflage eines chronologischen Verzeichnisses der Werke Wolfgang Amadé Mozarts vor – von KV 1, dem ersten von Mozart eigenhändig geschriebenen Menuett, bis KV 626, dem Requiem, das der Komponist wegen seines frühen Todes nicht fertigstellen konnte. Um das rasch wachsende Wissen über alle Aspekte von Mozarts Schaffen darzustellen, kam es in der Folge zu mehreren Neuauflagen. Dabei glaubte man, dass sich Neuerkenntnisse zur Chronologie auch in neuen Werknummern niederschlagen müssten. Das so entstandene Nummernkonstrukt mit unzähligen Querverweisen wurde allerdings immer komplizierter und hat sich letztlich weder in der Mozart-Forschung noch in der Musikpraxis durchgesetzt.
Die heute vorgestellte Neuausgabe, die erstmals unter dem Namen „Köchel-Verzeichnis“ erscheint, geht auf die ursprüngliche Nummerierung zurück, ohne den Anspruch auf die chronologische Sortierung aufrechtzuerhalten. Zugleich werden 95 Kompositionen, die in keiner der bisherigen Ausgaben des Köchel-Verzeichnisses einen eigenen Eintrag erhalten hatten, nun mit Nummern ab KV 627 neu gezählt. Einige von diesen wurden während der Arbeiten an der Neuausgabe entdeckt bzw. als Werke Mozarts identifiziert, wie z.B. der erste Konzertsatz des Komponisten (KV 636), der ohne Autorenangabe im sogenannten Nannerl-Notenbuch, dem Klavierbuch seiner Schwester Maria Anna, enthalten ist. Neben diesem Stück wurde bei der heutigen Präsentation in Salzburg unter anderem ein bislang völlig unbekanntes Werk, eine kleine Serenade in C für 2 Violinen und Bass (KV 648) aufgeführt, die Mozart noch vor seinem 13. Geburtstag für seine Schwester geschrieben haben dürfte.
Dank der langjährigen Zusammenarbeit von Neal Zaslaw und dem wissenschaftlichen Team der Internationalen Stiftung Mozarteum unter der Leitung von Ulrich Leisinger basiert das Werkverzeichnis auf den neuesten Ergebnissen der internationalen Mozart-Forschung. Auch Mozarts Bearbeitungen, Kadenzen und Studien wurden in neu strukturierten Anhängen erfasst, wobei eventuelle Fehlzuschreibungen gründlich geklärt wurden. Der Band bietet neben der thematischen Übersicht auch zahlreiche Register und eine umfangreiche Bibliographie an (und wiegt dementsprechend knapp drei Kilogramm).
Zum Verkaufsstart des Printprodukts (das – ähnlich zur Köchels Erstausgabe – weiterhin vom Verlag Breitkopf & Härtel betreut wurde) präsentiert die Internationale Stiftung Mozarteum die erste Stufe eines neuen digitalen Angebots, Köchel digital. Die digitale Vernetzung des neuen Köchel-Verzeichnisses als umfassende und verlässliche Wissensbasis mit einer einfach zu bedienenden digitalen Informationsstruktur soll allen Musikinteressierten und Mozart-Freunden auf der ganzen Welt kostenfrei den Zugang zum Werk Mozarts auf dem neuesten Wissensstand ermöglichen.
Regelmäßige Nutzer der RISM-Datenbank wird es sicher auch freuen, dass die angepasste Nummerierung der neuen Köchel-Ausgabe bereits in die RISM-Einträge aller Mozart-Autographen der Bibliotheca Mozartiana in Salzburg integriert wurde (siehe z.B. RISM Catalog | RISM Online).
Bild: Schlusstakte des ersten Satzes der Sonate in A (KV 331) in Mozarts Autograph (entdeckt 2014). Széchényi-Nationalbibliothek, H-Bn Ms. mus. 15.289 (RISM ID 530011221 - RISM Catalog | RISM Online). Online verfügbar.
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