Ein musikwissenschaftlicher Sommer in Frankfurt
Vivian Tompkins
Monday, July 17, 2017
Unsere Praktikantin Vivian Tompkins berichtet von ihren Erfahrungen im Sommer 2017:
Musikwissenschaft, Bibliothekswesen, und die deutsche Sprache sind drei Hauptinteressen, die ich im Lauf meines Bachelorstudiums entdeckte. Deshalb war ich ganz begeistert, als ich vor einigen Monaten Bescheid bekam, dass ich ein Praktikum in der RISM Zentralredaktion in Frankfurt machen könnte. So ein Praktikum war die perfekte Gelegenheit, diese drei Interessen zu kombinieren. Seit vier Wochen bin ich zu Gast in der Zentralredaktion gewesen, und die Mitarbeiter/innen der Redaktion haben mir geholfen, viel über die Arbeit der Zentralredaktion und die internationale Gemeinschaft von Musikbibliotheken zu lernen.
Die ersten zwei Projekte meines Praktikums befassten sich mit der Komponistin Barbara Strozzi und mit dem Musikbestand der Christ Church Library and Archives (GB-Och) - zwei Themen, die für mich persönlich relevant sind. Das Leben und die Werke Barbara Strozzis waren ein Schwerpunkt meines Bachelorstudiums, und meine erste Erfahrung mit dem RISM Erfassungssystem Muscat war es, Einträge zu ihren Werke zu ergänzen. Das zweite Projekt, womit ich Muscat kennengelernt habe, ging um die anonymen Quellen im Musikbestand von Christ Church, Oxford. Da ich nächstes Jahr an Christ Church studieren werde, war es eine sinnvolle Erfahrung, mit Einträgen von diesem Bestand zu arbeiten. Dieses Projekt hat es mir ermöglicht, nicht nur den Musikbestand von Christ Church besser kennenzulernen, sondern auch mich mit anderen Indices und Werkverzeichnissen, z.B. das „Thematic Index of Music for Viols“ der Viola da Gamba Society (RISM-Literatursigel: VdGS) vertraut zu machen.
Ich hatte auch Gelegenheit, einen Einblick in die verschiedenen Bereiche der Arbeit der Zentralredaktion zu werfen. Eines der laufenden Projekte geht um die Einträge zu gedruckten Sammlungen aus den Jahren 1550-1600. Besonders interessant war es, über die unterschiedlichen alten Schreibweisen und Handschriften in diesen Sammlungen zu lernen. Außerdem lernte ich die RISM-Bibliothekssigel und die Normdaten zu Körperschaften in der Datenbank besser kennen. Mit Hilfe eines Mitarbeiters konnte ich einige Einträge zu Bibliotheken in Großbritannien weiter ergänzen, indem ich die ISIL (International Standard Identifier for Libraries and Related Organizations) Nummern fand und einfügte.
Als amerikanische Studentin ist es mir besonders interessant gewesen, Seminare und andere Kurse an der Goethe-Universität und an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst zu besuchen. Dr. Martina Falletta hat es ermöglicht, dass ich zu Gast sowohl in einem Seminar an der Hochschule als auch in mehreren Kursen an der Goethe-Universität sein konnte. Weil 2017 das 250. Todesjahr Georg Philipp Telemanns ist, haben diese Seminare sich mit seinem Leben und seinen Werken befasst. Die Vorlesungen und studentische Vorträge waren für mich hochinteressant und auch sehr relevant, denn ich interessiere mich für Musik des Barock. Darüber hinaus konnte ich mit einer Studentengruppe von der Abteilung Musikwissenschaft der Uni Mainz die Universitätsbibliothek Johann Christian Senckenberg besuchen, um Abschriften von Telemanns Kirchenkantaten zu untersuchen. Während dieses Besuches sprach einer der Editoren der Frankfurter Telemann-Ausgaben mit uns über seine Arbeit. Dieses Ereignis und mein Besuch im Büro der Gluck Gesamtausgabe haben meine Kenntnis der Vorbereitung einer kritischen Edition sehr viel verbessert. Daneben konnte ich das Hindemith-Institut (D-Fhi) sowie das Archiv Frau und Musik (D-Fafm) besuchen.
Der Kuhhirtenturm in Frankfurt, wo Hindemith von 1923 bis 1927 lebte
Eines von zahl reichen Objekten im Archiv Frau und Musik
In der vierten Woche des Praktikums nahm ich an dem 66. ordentlichen Kongress der Internationalen Vereinigung der Musikbibliotheken, Musikarchive und Musikdokumentationszentren (IAML) teil. Dieses Jahr fand der Kongress an der Nationalbibliothek von Lettland in Riga statt. Bibliothekare und Archivare aus der ganzen Welt versammelten sich, um ihre Bestände und aktuelle Projekte zu präsentierten. Besonders spannend fand ich die Vorträge über die laufenden Digitalisierungsprojekte von verschiedenen Bibliotheken und Archiven, unter anderem die International Stiftung Mozarteum Salzburg (A-Sm), Bibliothèque royale de Belgique (B-Br), und das Bach-Archiv Leipzig (D-LEb). Auch hochinteressant war der Vortrag von der chinesisch-sprachigen RISM Arbeitsgruppe. Ein Mitglied dieser Gruppe sprach über die Bemühungen, chinesische Musikquellen zu dokumentieren und zu bewahren.
Die lettische Nationalbibliothek in Riga
Es ist kaum zu glauben, dass fünf Wochen seit meiner Ankunft in Frankfurt schon vergangen sind. Meine Arbeit in der RISM Zentralredaktion hat mich viel gelehrt, und ich habe viele fantastische Erfahrungen gemacht. Vor allem möchte ich mich den Mitarbeiter/innen der RISM Zentralredaktion, insbesondere Jennifer Ward und Dr. Martina Falletta, bedanken; sie haben ein buntes und lehrreiches Programm für mich arrangiert und haben es mir ermöglicht, wunderbare musikalische Erlebnisse in Frankfurt zu haben. Das Praktikum war ein toller Blick in die Arbeit RISMs, wodurch ich die hochwichtige Beziehung zwischen Musikwissenschaft und Bibliothekswesen besser begreifen konnte.
Alle Fotos von Vivian Tompkins.
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