Ein Sommer voller Musikquellen
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Thursday, December 4, 2014
Martin Bierwisch, ein Student der Musikwissenschaft an der Universität Mainz, verbrachte den Sommer als Praktikant bei uns. Lesen Sie im folgenden seinen Erfahrungsbericht. Wenn Sie sich für ein Praktikum bei RISM interessieren, setzen Sie sich bitte mit uns in Verbindung.
Die Idee ein Praktikum in der Zentralredaktion von RISM zu machen, kam durch mehrere Faktoren zu Stande. Zum einen hatte ich mich schon vorher mit dem OPAC aber auch den Bänden wie A/1 beschäftigt. Zum anderen erweckte die Tagung 2012 mein Interesse dafür.
Meine Arbeit in der Zentralredaktion war abwechslungsreich und vielfältig. Dabei spielte das Programm Kallisto eine zentrale Rolle. Mit diesem bearbeitete ich Einträge welche im RISM-OPAC erscheinen. Einer der ersten Aufgaben war es Einträge zu Carl Philipp Emanuel Bach zu bearbeiten. Dabei sollte in den Einträgen Werkverzeichnisse mit ihren jeweiligen Nummer ergänzt oder ggf. berichtigt werden. Erstaunlich war zu erfahren, dass selbst das älteste der Verzeichnisse, das Wotquenne-Verzeichnis (Wq) immer noch sehr genutzt wird, obwohl es bereits 1905 erschien und durch das um einiges ausführlichere Helm-Verzeichnis (HelB) eigentlich abgelöst wurde. Es konnte auch teilweise das neue Verzeichnis der Vokalwerke (BR-CPEB) von 2014 ergänzt werden und es war dabei ersichtlich, dass hier schon RISM-Nummern in den Quellenbeschreibungen Einzug hielten. Darüber hinaus hatte ich auch Berührung mit dem Skrjabin-Werkverzeichnis (BosS) und zwei verschiedenen Čajkovskij-Werkverzeichnissen (ČW , PozČ). Dadurch standen auch Besuche in der nahegelegenen Universitätsbibliothek J. C. Senckenberg auf dem Plan um Literatur, wie Werkverzeichnisse und anderes einzusehen.
Ein besonderes Ereignis war der Besuch der mexikanischen RISM-Gruppe am Seminario de Música en la Nueva España y el México Independiente. Dadurch wurde mir unmittelbar deutlich, welchen internationalen Anspruch RISM besitzt und wie wichtig die enge Zusammenarbeit mit den einzelnen Ländergruppen ist. Außerdem wurde mir deutlich wie viele Quellen noch auf ihre Erschließung warten.
Ein großer Teil meiner Arbeit war es Incipits mithilfe des Plain & Easie Code einzugeben. Hierbei griff ich auf Digitalisate der TU Darmstadt und der Berliner Staatsbibliothek zurück. Diese waren meist sogar von Autographen. Darunter waren Werke von Johann Schelle, Georg Joseph Vogler, Georg Philipp Telemann und Georg Österreich. Meine Kenntnisse im Lesen von Kurrentschrift konnte ich dabei nutzen und verbessern. Ich lernte aber auch die Handhabung und Schreibweisen von alten Schlüsseln besser kennen. Ich musste darüber nachdenken, wie lang ein Incipit, sei es nun vom Text oder von den Noten, überhaupt sein muss, sodass eine Identifikation später möglichst einfach und sicher ist.
Neben solchen Arbeitsfeldern gehört aber auch die Betreuung der Website und der Facebook- und Twitter-Präsenz zu den Aufgaben der Redaktion. So hatte ich die Gelegenheit einen kurzen Artikel zu Robert Eitner zu schreiben, welcher dann online gestellt wurde.
Daneben schaute ich aber auch in andere Bereiche der redaktionellen Arbeit hinein, wie z.B. der Sigelvergabe, der Bearbeitung von Personendaten und der Normdatenpflege. So durfte ich, natürlich unter Hilfestellung, das neue Sigel A-HOH (Zisterzienserinnenabtei Mariastern-Gwiggen in Hohenweiler, Österreich) vergeben. Oder erfuhr, dass z.B. die Normtitel von Opern möglichst nach dem New Grove eingegeben werden und konnte auch einige gleich bearbeiten z.B. zu Meyerbeer, Berton und Cherubini.
Eine zweite große Baustelle ist zurzeit die Vorbereitung einer Online-Version der A/I und B/I Reihe. Dabei wird ein anderes Programm genutzt, nämlich Muscat. Eine neue Version davon ist derzeit im Entwicklungsstadium. Es stellte sich bei der Arbeit heraus, dass selbst die erschienenen Supplement-Bände nicht mehr vollständig oder aktuell sind. Nicht zuletzt wegen Redaktionsschluss mussten so manche Hinweise bis jetzt warten. Mit der neuen Online-Version wird es möglich, ständig Veränderungen, Verbesserungen und Ergänzungen vorzunehmen. Denkt man allein daran, dass sich so manches Sigel seit 1971 (Erscheinungsjahr des ersten A/I Bandes) geändert hat, so erscheint doch eine ständig aktualisierbare Version mehr als notwendig. Somit sind natürlich auch Neuerwerbungen aber auch Verluste dokumentierbar. Außerdem erhöht sich der Informationsgrad von einem Eintrag enorm. So können jetzt auch Signaturen oder auch Links zu Digitalisaten eingefügt werden. Dies war zum Teil meine Aufgabe. Einer der Bibliotheken welche Neuerwerbungen hatten und nun von mir in die Datenbank aufgenommen worden sind, war die Bibliothèque royale de Belgique (B-Br).
Insgesamt lernte ich jede Menge Themengebiete kennen und kam mit mir neuen Fragestellungen in Berührung. Wie geht man z.B. mit einem Pasticcio um, wenn man versucht ein Werk nach dem Komponisten einzuordnen? Wie dokumentiert man Nachweise von Quellen, bei denen man weiß, dass sie mittlerweile vernichtet wurden? Warum ist ein Fétis-Artikel (Biographie universelle des musiciens et bibliographie générale de la musique) einem Schilling-Artikel (Encyclopädie der gesamten musikalischen Wissenschaften oder Universal-Lexicon der Tonkunst) manchmal so verflixt ähnlich? Wie kommt es, dass das dritte Werkverzeichnis von Carl Philipp Emanuel Bach grad in Arbeit ist aber so unendlich viele Komponisten so gut wie unerforscht bleiben? Oder wie geht man mit einem Quellenbestand um, welcher sich einst in Berlin befand und sich nun in Kraków (Pl-Kj) befindet?
Ebenfalls hatte ich Gelegenheit in alten Karteikarten zu suchen, welche damals für A/I nicht aufgenommen wurden, da Komponisten durch ihr spätes Geburtsdatum (ab 1770) aus dem Zeitraum herausfielen. Diese Zeitlinie bringt so manche Kuriosität mit sich. Es ist z.B. ein Klavierauszug der Oper La vestale in A/I (S 5453) erfasst, nicht aber die Oper selbst. Der Grund dafür ist, dass der Komponist der Oper Gaspare Spontini (geboren 1774) ein wenig jünger war als der Bearbeiter des Klavierauszuges Daniel Gottlieb Steibelt (geboren 1765).
Insgesamt kann ich sagen, dass ich mit Hilfe der einzelnen Mitarbeiter der Zentralredaktion, besonders durch Dr. Martina Falletta einen wirklichen guten Einblick in die tägliche Arbeit werfen konnte. Dabei habe ich wichtige praktische und theoretische Kenntnisse erworben.
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