Goethes Muse und Co-Autorin Marianne von Willemer
Thursday, February 6, 2025

Unsere Reihe RISM A-Z erreicht heute Buchstabe W und wie so oft, lassen wir der Dame den Vortritt, diesmal mit einem lokal historischen Schwerpunkt.
Marianne von Willemer (20. November 1784 in Linz (?) - 6. Dezember 1860 in Frankfurt am Main) war eine aus Österreich stammende Schauspielerin und Tänzerin. Nach der Heirat der Mutter Elisabeth Pirngruber mit Joseph M. Georg Jung 1788 nahm sie den Nachnamen Jung an, vermutlich um die uneheliche Abstammung zu kaschieren.
Marianne wird am 26. Dezember 1798 erstmals auf einem Frankfurter Theaterzettel erwähnt. Die Vierzehnjährige übernahm Rollen in Opern (Der Spiegelritter), Singspielen (Der kleine Matrose) und Ballettaufführungen (Die geraubte Braut). Bis April 1800 ist sie in über 40 Theater-Aufführungen in Frankfurt am Main nachweisbar. Dann wird Marianne als Pflegetochter im Haus von Bankier Johann Jacob von Willemer (1760−1838) aufgenommen, wo ihre musikalische Ausbildung weiter gefördert wird. So erhält sie Gitarrenunterricht, aber auch Sprachen und Literatur stehen auf dem Unterrichtsplan. Neben Darbietungen im privaten Rahmen tritt sie zwischen 1805 und 1807 auch in öffentlichen Konzerten auf. Marianne und ihr Pflegevater heiraten am 27.9.1814. In demselben Jahr begegnet Marianne erstmals Johann Wolfgang von Goethe.
Johann Jacob Willemer lud Goethe in einem Brief vom 10. April 1815 zu einer erneuten Reise in die Heimat ein:
“Erholen Sie sich doch bald von den Beschwerden des Winters zu Weimar an den Ufern des Mains. Sie könnten […] bei uns auf der Mühle wohnen. Platz ist genug da, und meine Frau und ich würden nie eine größere Freude empfunden haben wie die, Sie als Gastfreund bei uns zu sehen. Wenn Sie der Sonne müd sind, und der Arbeit, singt sie Ihnen von Ihren Liedern vor.”
Am 12. August traf Goethe auf dem von Willemerschen Landsitz ein. Bis zum 17. September weilte er auf der Gerbermühle. Neben den Willemers und Goethe war auch der junge Architekt Sulpiz Boisserée in diesen Tagen zu Gast. Morgens arbeitete Goethe vor allem am West-östlichen Divan. Am Abend trug er seine am Tag entstanden Verse vor, und Marianne sang nicht nur seine Lieder, sondern trat mit ihm zunehmend in einen lyrischen Dialog. In Goethes 1819 veröffentlichtem Spätwerk West-östlicher Divan, das auch einige Gedichte aus der Feder von Marianne von Willemer enthält, zeigt er seine große Wertschätzung der Freundin gegenüber. Unter den zahlreichen Musen Goethes war Marianne - Goethe verewigte sie als Suleika - die einzige Mitautorin eines seiner Werke. Ihre Autorenschaft wurde aber erst postum bekannt. Nicht nur Franz Schubert vertonte die von Willemer (RISM Catalog | RISM Online) stammenden Texte “Was bedeutet die Bewegung” (Suleika I) und “Ach, um deine feuchten Schwingen” (Suleika II) auch Felix Mendelssohn Bartholdy und seine Schwester Fanny Hensel sowie Johann Friedrich Reichardt griffen darauf zurück.
Abbildung: Gerbermühle, Frankfurt am Main, Zeichnung von Sulpiz Boisserée, 1817. Via Wikimedia
Share Tweet EmailKategorie: RISM A-Z