Ignaz Joseph Pleyels Violone-Konzert identifiziert

Darija Andelic-Andzakovic

Thursday, September 25, 2025

Den folgenden Beitrag erhielten wir von Darija Andelic-Andzakovic (Musikwissenschaftlerin und Kontrabassistin).

Johannes Mathias Sperger (Feldsberg/Valtice, 1750 – Ludwigslust, 1812) ist vor allem als Komponist der 18 Konzerte für Kontrabass bekannt. Spergers Konzerte sind als Autographen Teil seines Nachlasses, der in der Landesbibliothek Mecklenburg-Vorpommern Günther Uecker in Schwerin aufbewahrt wird. Obwohl Sperger sein ganzes Leben lang komponierte, war er in erster Linie als Kontrabassist tätig. Das von ihm verwendete Instrument wird oft als Wiener Kontrabass oder Wiener Violone bezeichnet und war im 18. Jahrhundert in Niederösterreich weit verbreitet. Es zeichnete sich durch ein einzigartiges Stimmungssystem aus (F1 – A1 – D – Fis – A).

Spergers Handschrift ist gut lesbar und seine Schreibweise blieb während seiner gesamten Karriere recht konsistent. Aus diesem Grund stellte Adolf Meier (1926–1990), einer der Pioniere der Sperger-Forschung, bereits 1979 fest, dass D-SWI Mus.5174/2a (RISM ID no. 240004502 - RISM Catalog | RISM Online) - das Meier als Spergers fünftes Konzert aufführte - eindeutig nicht von Spergers Hand stammte.[1] Der Name des Komponisten war aus der oberen rechten Ecke der Partitur entfernt worden. Auch der Titel „Concerto per Violone” ist eine Ausnahme unter Spergers Konzerten, für die er in der Regel den Begriff Contrabasso verwendete. Ein Beispiel hierfür ist sein erstes Konzert (D-SWI Mus.5176/3, RISM ID no. 240004500 - RISM Catalog | RISM Online), bei dem er das Wort Violone durchstrich und durch Contrabasso ersetzte. Meier zählte dieses anonyme Konzert wahrscheinlich zu Spergers Kompositionen, da es unter dessen eigenen Manuskripten erhalten blieb. Darüber hinaus vermutete Meier aufgrund der Papiersorte und bestimmter stilistischer Merkmale, dass das Werk älter als Spergers Konzert Nr. 6 vom 12. Juli 1779 (D-SWI Mus.5176/9, RISM ID no. 240004505 - RISM Catalog | RISM Online) sei und in der ersten Hälfte des Jahres 1779 komponiert worden sein müsse.

Die handschriftlichen Merkmale von D-SWI Mus. 5174/2a stimmen zufällig mit denen der zwischen ca. 1776 und 1780 entstandenen Autographen von Ignaz Joseph Pleyel überein (siehe Artikel). Sowohl Pleyel als auch Sperger begannen um 1777 in Pressburg zu arbeiten, allerdings für verschiedene Orchester an unterschiedlichen Höfen. Pleyel wurde Kapellmeister von Graf Ladislaus Erdődy, Sperger wurde von Kardinal József Batthyány als Kontrabassist angestellt. Sperger und Pleyel waren beide Mitglieder der Freimaurerloge Zum goldenen Rad.[2]

Sperger machte zahlreiche Anmerkungen zum ersten Satz von Pleyels Partitur. Einige davon beziehen sich auf den ersten Satz von Spergers Konzert Nr. 14 aus seiner Ludwigsluster Zeit (D-SWI Mus.5174/2b, RISM ID Nr. 240004501 - RISM-Katalog | RISM Online), für das er einen Großteil von Pleyels Konzert wiederverwendete, andere entstanden jedoch während ihrer Zeit in Pressburg. Die Bestätigung, dass diese Anmerkungen bereits in dieser frühen Phase berücksichtigt wurden, liefert eine handschriftliche Stimme für Solo-Kontrabass (D-SWI Mus.5177/3a, RISM ID Nr. 240004850 - RISM-Katalog | RISM Online). Diese Quelle weist dieselben handschriftlichen Merkmale auf wie die Manuskriptstimmen für mehrere Werke, die Sperger während seiner Tätigkeit im Orchester von Kardinal Batthyány komponierte.

Obwohl Pleyel bekanntermaßen keine weiteren Konzerte für Kontrabass bzw. Violone komponiert hat, verwendete er das Thema und die Basslinie des Finales im zweiten Satz seines Duos für Violine und Violoncello (Benton 501) erneut. Dieses Duo wurde erstmals 1788 zusammen mit fünf weiteren Werken von J. J. Hummel veröffentlicht. Es erschien auch in gedruckten Sammlungen sowie in verschiedenen Bearbeitungen.[3] Dank der durchsuchbaren Musikincipits der RISM-Datenbank wissen wir heute, dass es in ganz Europa handschriftliche Quellen mit diesem Thema gibt. Alle bis auf eine anonyme Quelle (HR-Zha XXXIX.N) sind als Werke von Pleyel aufgeführt.[4]

Pleyels Konzert wird von Rob Nairn und dem Australian Brandenburg Orchestra im Rahmen ihrer Saison 2026 uraufgeführt. Siehe auch die Ankündigung und auch hier.

Die Eröffnung des Konzerts in einer Bearbeitung für Hammerklavier ist in der folgenden Animation zu sehen.

Anmerkungen:

[1] Adolf Meier, Konzertante Musik für Kontrabass in der Wiener Klassik, 2. ed., Musikverlag Emil Katzbichler, 1979, S. 144.

[2] Herbert Seifert, “Musik und Musiker der Grafen Erdődy in Kroatian im 18. Jahrhundert”, in: Studien zur Musikwissenschaft 44 (1995): S, 196, 199.

[3] Rita Benton, Ignace Pleyel: A Thematic Catalogue of his Compositions, Pendragon Press, 1977, S. 235-237.

[4] B-Br Ms II 4937 Mus (pf); CH-ALus Ms. 4 (Ms. 10603) (2 vl); D-B Mus.ms.30027 (pf, vl); D-Eu Esl VIII 403b (2 vl); D-GOI Mus.4o 20e/12 (pf, vl); D-HAu Werner I d 92 (pf); D-Mbs Mus.ms. 287-1 (vl, cemb); D-RH Mus 606 (cemb, vl); D-SAAsm B III-33 (pf); D-WRHa Kröckel 10n (2 vl); HR-Zha XXXIX.N (pf); I-PEsp M CXXXIV/17@1 (pf).

Abbildung: Ignaz Pleyel, Concerto per Violone, D-SWI Mus.5174/2a, Landesbibliothek Mecklenburg-Vorpommern Günther Uecker, RISM ID no. 240004502 (RISM Catalog | RISM Online).

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