Thematischer Katalog der Musiksammlung von P. Barnabas Weiss
Zuzana Petrášková und Eliška Šedivá
Thursday, July 21, 2022
Den folgenden Beitrag erhielten wir von Zuzana Petrášková und Eliška Šedivá (Tschechische Nationalbibliothek Prag):
Der jüngst erschienene thematische Katalog in der Reihe “Catalogus artis musicae in Bohemia et Moravia cultae” ist einer Musiksammlung gewidmet, die im Laufe des 19. Jahrhunderts als Ergebnis der lebenslangen Bemühungen von Pater Barnabas Weiss, dem Generalminister des Kapuzinerklosters St. Josef in der Prager Neustadt, angelegt wurde. Der Gründer der Musikabteilung der Nationalbibliothek der Tschechischen Republik, Ladislav Vycpálek, erwarb die Sammlung 1923 von den Kapuzinern.
Den Löwenanteil der Sammlung machen Notendrucke aus, die überwiegend aus der zeitgenössischen Produktion stammen. Insgesamt umfasst die Sammlung eine Reihe interessanter älterer Exemplare, eine bemerkenswerte Repertoire-Bandbreite und Anzeichen, die auf eine praktische Nutzung hindeuten.
J. Krejčí: 2 Antiphonae de Sancto Francisco, ein Prager Druck von Jan Hoffmann aus dem Jahr 1862, mit einer Widmung des Komponisten an B. Weiss und mit der Unterschrift des Besitzers. Titelblatt der Partitur. CZ-Pu 59 E 225, cat. no. 348; RISM ID no. 1001169601.
Handschriften, die vom letzten Viertel des 18. Jahrhunderts bis zum Ende des 19. Jahrhunderts datiert werden können, sind weniger zahlreich. Vycpálek trennte die Notendrucke von den Handschriften und ordnete sie entsprechend dem Umfang der Bände in mehrere bereits bestehende Signaturreihen der Notensammlung ein. Mit den Musikhandschriften aus der Sammlung Weiss baute er dann die Handschriftensammlung der Musikabteilung auf.
Leider wurde dadurch die Sammlung, die sich allmählich und auf natürliche Weise durch die persönliche Sammeltätigkeit von Weiss aufgebaut hatte, unterbrochen. Die Musikmanuskripte wurden später Gegenstand einer weiteren Katalogisierung und bibliographischen Bearbeitung, und zwar einerseits für den Union Music Catalogue und andererseits für RISM. Erst bei der Erstellung dieses thematischen Katalogs wurde deutlich, wie die Notendrucke und die Handschriften der Originalsammlung durch dicke Einbände zu einer logisch aufgebauten Einheit zusammengefasst wurden. Diese Einheit zeugt von Pater Barnabas Weiss’ Musikgeschmack, seinen Interessen, seinen Aufführungsmöglichkeiten und seinen künstlerischen und organisatorischen Bemühungen insgesamt. Die Struktur der Sammlung spiegelt somit die praktische musikalische Tätigkeit eines fähigen Amateurmusikers, eines Organisators des Konzertlebens in der Klosterkirche und eines Sammlers von Musik der damaligen Zeit, vor allem aus deutschen und österreichischen Musikverlagen, wider.
Joannes Nepomucenus Aloysius Carolus Weiss wurde 1815 in Jihlava geboren. Er besuchte das örtliche Gymnasium und trat anschließend 1833 in den Kapuzinerorden ein. Der Name Barnabas, den er in der Folge sein ganzes Leben lang trug, ist sein Ordensname. Von 1834 bis 1839 besuchte er philologische, pädagogische und theologische Kurse an den Ausbildungsschulen des Ordens in Znaim und Brünn und erhielt dort wahrscheinlich auch seine musikalische Ausbildung, über die leider keine genauen Informationen erhalten geblieben sind. Nach seinem ersten Studienabschluss 1839 wurde er in Brünn zum Priester geweiht. Danach ging er in das St.-Josephs-Kloster des Ordens in der Prager Neustadt und setzte seine Studien an der Karl-Ferdinand-Universität fort.
ANach Abschluss seines Studiums war B. Weiss an verschiedenen Klöstern in Mähren tätig. In Olmütz (Olomouc) etablierte er sich als aktiver Musiker, Violoncellist und Bratschist, der in zahlreichen Kammermusikensembles mitwirkte. Die folgenden 15 Jahre verbrachte B. Weiss in adeligen Diensten als Hauskaplan und Hauslehrer und kehrte erst in den 1850er Jahren nach Böhmen zurück. 1860 wurde er Generalminister des St.-Josephs-Klosters in Prag, wo er bis zu seinem Tod im Jahr 1899 blieb.
B. Weiss war eine angesehene Persönlichkeit in gesellschaftlichen Kreisen. Neben seiner seelsorgerischen Tätigkeit pflegte er die Musik und organisierte als Fachmann und praktischer Musiker musikalische Darbietungen in der St. Josefskirche und direkt im Kloster. Er organisierte dort vor allem Konzerte, die in den 1860er und 1870er Jahren aufgrund ihrer Dramaturgie, künstlerischen Qualität und sozialen Wirkung zu einem wichtigen Bestandteil des Prager Musiklebens wurden.
Die Musiksammlung von Weiss spiegelt mehrere Jahrzehnte der Musikgeschichte und insbesondere des Musiklebens in Prag wider. Sie dokumentiert einen außergewöhnlichen Teil der musikalischen Aufführungen in Prag in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Neben der Kirchenmusik, die entweder direkt im Rahmen der Liturgie oder bei geistlichen Konzerten aufgeführt wurde, umfasst sie auch eine weitere Repertoireschicht, die aufgrund ihres Umfangs und ihrer Bedeutung von Bedeutung ist und Musik für private oder Salonaufführungen umfasst. Die Auswahl des Repertoires spiegelt die ästhetischen Vorlieben des Organisators der Sammlung sowie seine Interessen als praktizierender Instrumentalist (Violoncellist) und Sänger wider. Die Anmerkungen zur Musik betreffen die vielen Musiker, denen diese Sammlung im Laufe der Jahre diente.
Der handschriftliche Teil der Sammlung wird derzeit digitalisiert und der Öffentlichkeit in der digitalen Bibliothek Manuscriptorium zugänglich gemacht. Ein Beispiel dafür ist das Offertorium Scapulis suis von F. X. Brixi für vier Vokalstimmen mit Begleitung in einer Abschrift aus der Zeit um 1825 (Partitur, CZ-Pu 59 rm 5, Kat.-Nr. 17, RISM ID no. 550503086; siehe Manuscriptorium - Digital library).
VOZKOVÁ, Jana und ŠEDIVÁ, Eliška: Collectio operum musicalium e possessione p. Barnabae Weiss. Translated by Andy Letham. 1st edition. Catalogus artis musicae in Bohemia et Moravia cultae. Artis musicae antiquioris catalogorum series XII. Prague: Národní knihovna ČR, 2021. 294 Seiten. ISBN 978-80-7050-754-4.
Ein Sammelband mit vier Klavierauszügen aus Opern von W. A. Mozart, zwischen 1870 und 1874 herausgegeben von C. F. Peters in Leipzig. CZ-Pu 59 E 213, cat. no. 407. RISM ID no. 1001217476.
Alle Abbildungen mit freundlicher Genehmigung der Autorinnen.
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