Die Bibliothekssigel – Ein ureigenes Teilprojekt des RISM von Anfang an
Thursday, December 12, 2024

Die ersten RISM-Bibliothekssigel entstanden in den fünfziger Jahren des 20. Jahrhunderts während den Vorbereitungen zur Publikation des ersten Bandes von Serie B (Recueils imprimés, XVIe-XVIIe siècles), der im Jahre 1960 beim G. Henle Verlag erschien. Die in B/I publizierte Sigelliste verzeichnet 920 Musikbibliotheken in 23 Ländern. Heute, nach weiteren 65 Jahren des kontinuierlichen Weiterarbeitens, verzeichnen wir aktuell über 9.000 RISM-Sigel aus 87 Ländern.
In der Musikwissenschaft finden Vorläufer von Bibliothekssigeln schon länger Verwendung. In Musiklexika, Bibliographien, Werk- und Quellenkatalogen sowie in wissenschaftlichen Arbeiten wurde die Verwendung kurzer Sigel für die Zwecke der Zitation und des Quellennachweises unumgänglich. Das sparte Raum und Zeit. Anfangs erstellte jeder Autor eines Kataloges Abkürzungen für Bibliotheksnamen selbst wie zum Beispiel Marc Pincherle in seinem Katalog über Antonio Vivaldis Instrumentalmusik aus dem Jahre 1948. Beispielsweise bezeichnet „Berlin, Fuchs“ den Bestand Aloys Fuchs in der Staatsbibliothek zu Berlin (RISM-Sigel: D-B). So war zwischen verschiedenen Publikationen keine Einheitlichkeit gewährleistet. Mehrbändige Publikationen wie Musiklexika erforderten generell eine Vereinheitlichung von Abkürzungen oder Sigeln, die in jedem Lexikonartikel identisch sein mussten. Das hielt den Anmerkungsapparat und die beigegebenen Abkürzungslisten kurz und war für das allgemeine inhaltliche Verständnis förderlich.
Erste sigelähnliche Abkürzungen für Musikbibliotheken verwendet Robert Eitner in seinem Quellenlexikon (Biographisch-bibliographisches Quellen-Lexikon der Musiker und Musikgelehrten), dessen erste Auflage 1900-1904 in Leipzig erschien. Die Abkürzungen verraten aber noch nichts über Land, Ort und Institution und sind nicht systematisch. Da genügte schon ein „B. B.“, das für die Königliche Bibliothek zu Berlin im Deutschen Reich stand, während die Königliche Hausbibliothek im Schlosse zu Berlin mit „Berlin K. H.“ abgekürzt wurde.
Das ändert sich mit den groß angelegten internationalen Dokumentationsprojekten des RISM. Im Serienband B/I sind nicht nur mehrere Orte und Bibliotheken zu einem Land angegeben, es finden sich auch immer mehrere Bibliotheken in einer einzigen Stadt. Für Großbritannien wäre da zum Beispiel Cambridge zu nennen, das in B/I mit 15 Bibliotheken vertreten ist. Das verweist schon auf die Struktur der RISM-Bibliothekssigel. Sie sind in der Regel dreiteilig und bestehen in dieser Reihenfolge aus einem Ländersigel, einem Sigel für den Ort und einem dritten Sigel für die Bibliothek oder Institution. Sigel für Land und Ort stehen immer in Großbuchstaben, das Sigel für die Institution in Kleinbuchstaben. So ist das Sigel für die University Library von Cambridge in Großbritannien GB-Cu. Ein Minuszeichen folgt immer nach dem Ländersigel (das in aller Regel den international gebräuchlichen Kfz-Nationalitätszeichen entspricht).
Mit den ersten Veröffentlichungen des RISM aus den Serien B, A/I und später A/II fand der Standard der RISM-Bibliothekssigel in musikwissenschaftlichen Publikationen immer breitere Verwendung und hat sich vor Jahrzehnten dann allgemein durchgesetzt. Rita Benton zitierte RISM-Bibliothekssigel in ihrem Werkverzeichnis von Ignace Pleyel (Ignace Pleyel. A Thematic Catalogue of his Compositions), das 1977 ediert wurde, und auch die großen international verbreiteten Musiklexika wie Die Musik in Geschichte und Gegenwart (MGG) und The New Grove Dictionary of Music and Musicians zitieren die RISM-Bibliothekssigel in ihren Lexikonartikeln seit den frühen achtziger und neunziger Jahren.
Das Land mit den meisten RISM-Bibliothekssigeln ist Italien. Es verzeichnet aktuell 2.167 RISM-Sigel gefolgt von Deutschland mit 1.783 Sigeln. An dritter Stelle stehen die USA mit 684 Sigeln. Dann folgen Frankreich mit 536, Spanien mit 506, Österreich hat 330 Sigeln und die Tschechische Republik 296. Zwei neue Länder sind in diesem Jahr hinzugekommen: San Marino und Ghana, derzeit mit je einem Sigel (RSM-SMbs - RISM Catalog | RISM Online und GH-Lkna - RISM Catalog | RISM Online).
Das RISM veröffentlicht die Bibliothekssigel auf seiner Webseite in einem separaten Katalog, der zu RISM Online führt. Es kann darin nach den Basisinformationen wie Bibliotheksnamen, Orte, Länder, RISM-Sigeln sowie Stichwörtern gesucht werden.
Ein Sigel-Eintrag kann folgende Inhalte aufweisen: Bibliotheksname, Ort, Land und RISM-Sigel, weitere zusätzliche Informationen wie frühere Bibliotheksnamen, Verknüpfungen mit anderen Beständen oder Bestandshalterinnen, auch frühere nicht mehr gültige Sigelansetzungen z. B. aus den älteren RISM-Serien, die Adress- und Kontaktangaben, den Link zur Webseite der Bibliothek, den Code für die Google-Karte, die bei der Lokalisierung der gesuchten Bibliothek hilft, gegebenenfalls die VIAF-ID, die GND-Nummer der Deutschen Bibliothek sowie das ISIL-Sigel (International Standard Identifier for Libraries and Related Organizations), wenn vorhanden. Darüber hinaus gibt es bei mehr als 3.000 RISM-Sigeln eine Verknüpfung zu Quellenbeschreibungen in der RISM-Datenbank.
Wird ein Bibliotheksbestand ganz oder teilsweise von einer anderen Bibliothek übernommen, kann das in den jeweiligen Sigel-Einträgen gezeigt werden, ohne dass ein Sigel unbedingt verändert oder gelöscht werden muss. Im Sigel-Eintrag von D-DO wird die Verlinkung zur heutigen Besitzerin des Musikalienbestandes D-KA angezeigt, wobei in den Anmerkungen im Eintrag D-DO deutlich wird, dass die Fürstlich Fürstenbergische Hofbibliothek in Donaueschingen nach wie vor eine laufende Bibliothek, aber mit einer geringen Anzahl an Musikalien ist.
Die RISM-Zentralredaktion ist bemüht, die Sigel-Datei auf einem aktuellen Stand zu halten. Für eine systematische Revision nach Ländern hat die RISM-Arbeitsgruppe Griechenland bereits einen Anfang gemacht, und wir laden nun alle RISM-Arbeitsgruppen und IAML-Ländergruppen ein, die Einträge für ihr Land direkt in unserem Katalogisierungsprogramm Muscat zu aktualisieren und erweitern. Dabei freuen wir uns sehr, auch von unseren Nutzern Mitteilungen über Namens- und Adressänderungen bei Musikbibliotheken zu erhalten.
Benötigen Sie ein neues RISM-Sigel, das Sie in unserer Datenbank noch nicht finden können, wenden Sie sich einfach per E-Mail an uns.
Abbildung: Das Gebäude des Instituts für Afrikastudien auf dem Legon Campus der Universität von Ghana, Accra, Ghana (GH-Lkna) via Wikimedia Commons, CC BY-SA 3.0.
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