Vicente Lusitano in RISM

Thursday, April 11, 2024

Ein Artikel von Garrett Schumann in Early Music America mit dem Titel “Vicente Lusitano – A Legacy Recovered” erinnerte uns letztes Jahr daran, wie wichtig es ist, dafür zu sorgen, dass musikalische Quellen von unterrepräsentierten Komponistinnen und Komponisten im digitalen Umfeld besser sichtbar werden. Vicente Lusitano (ca. 1522 - nach 1561) war ein portugiesischer Komponist und Musiktheoretiker afrikanischer Herkunft.

Angeregt durch den Schumann-Artikel haben wir noch einmal überprüft, wie gut die Werke von Vicente Lusitano in RISM vertreten sind. Dafür haben wir einige Einträge verbessert und einige neue hinzugefügt.

Als Komponist ist Lusitano vor allem durch seine Motettensammlung Liber primus epigramatum (Rom, 1551) bekannt. Die 23 Motetten sind nun in einer Inhaltsangabe im RISM-Datensatz verzeichnet (RISM ID no. 990038714 - RISM Catalog | RISM Online). Das einzige bekannte Exemplar in der Bayerischen Staatsbibliothek wurde digitalisiert (siehe Abbildung).

Die Anthologie Il primo libro delle muse­ (Venedig, 1562) enthält Lusitanos Madrigal “All’hor ch’ignuda d’herb’et fior la terra”. Für den Sammeldruck liegen nun die vollständigen Inhaltsverzeichnisse vor, für das in Berlin aufbewahrte Basso-Stimmbuch und die drei in Krakau aufbewahrten Stimmbücher digitale Kopien (RISM ID no. 1000000576 - RISM Catalog | RISM Online).

Neben diesem publizierten Werk kann auf die Motette “Beati omnes qui timent Dominum” verwiesen werden, die in einer Handschrift mit Motetten und anderen geistlichen Liedern von 1562 in der Württembergischen Landesbibliothek in Stuttgart erhalten ist (D-Sl Cod. mus. I fol. 3; noch nicht in RISM).

Vicente Lusitano verfasste auch musikalische Traktate. Seine Introduttione facilissima erschien ab 1553 in drei Auflagen. Diese Abhandlung wurde in den RISM-Band B/VI Écrits imprimés concernant la musique (1971) aufgenommen und ist neu in der RISM-Datenbank. Digitale Kopien sind für alle Ausgaben verfügbar. Die Ausgaben sind:

Laut Fétis (und wiederholt bei Eitner und anderen) wurde die Introduttione facilissima von Bernardo da Fonseca ins Portugiesische übersetzt und 1603 in Lissabon veröffentlicht (Biographie universelle, Band 10, S. 379). Es ist uns jedoch nicht gelungen, ein Exemplar dieser Übersetzung ausfindig zu machen, und nach Rücksprache mit unserer portugiesischen RISM-Arbeitsgruppe scheint es sich bei dieser Veröffentlichung um ein Missverständnis seitens Fétis zu handeln.

Tatsächlich wurde die Verwirrung bereits 1900 von Ernesto Vieira aufgeklärt: “Das von Vicente Lusitano gedruckte Werk […] hatte zwei weitere Ausgaben, beide in Venedig, eine 1558 und eine 1561. Barbosa de Machado berichtet, dass es 1602 von dem Priester Bernardo da Fonseca ins Portugiesische übersetzt wurde, dessen Manuskript dem Prälaten von Évora, Manuel Severim de Faria, übergeben wurde; es blieb jedoch unveröffentlicht, obwohl Fétis, der Machados Worte falsch interpretiert, behauptet, es sei veröffentlicht worden.” (Diccionario Biographico de Musicos Portuguezes. Lissabon: Lambertini, 1900. Band 2, S. 47.)

Und schließlich ist Lusitanos Tratado de canto de organo jetzt in RISM verzeichnet (RISM ID no. 1001262952 - RISM Catalog | RISM Online). Es handelt sich um eine anonyme handschriftliche Abhandlung über Musik, die in Paris aufbewahrt wird. Robert Stevenson schlug Lusitano als Autor 1962 vor. Samuel J. Brannons Dissertation von 2016 unterstützt diese Autorschaft und geht sogar noch weiter, indem er vorschlägt, dass dieser Tratado als Entwurf für die Introduttione facilissima diente.

Vollständigere Inhaltsangaben, verbesserte Titelaufnahmen und digitalisierte Objekte stellen sicher, dass Musiker und Wissenschaftler weltweit Zugang zu Primärquellen haben, die sie für Aufführungen oder Forschungszwecke benötigen. Im Jahr 2020 haben wir über die Suche nach Musik von Musikern unterschiedlicher ethnischer Gruppen geschrieben, die in den heutigen Konzertprogrammen unterrepräsentiert sind.

Einige RISM-Mitarbeiter sind derzeit an Projekten beteiligt, die darauf abzielen, unterrepräsentierte Komponistinnen und Komponisten in RISM auffindbar zu machen. Auf dem IAML-Kongress in Cambridge erfuhren wir von dem Projekt “Power of Indigenous Song” der Harvard Library und einer Initiative der Library of Congress, Manuskripte schwarzer Komponisten an RISM zu melden.

Hier finden Sie die Motette “Emendemus in melius” von Vicente Lusitano, aufgeführt von Arte Mínima. Mehr über das Projekt “Die geheime Musik von Vicente Lusitano” erfahren Sie hier.

Abbildung: Titelblatt von Vicente Lusitano, Liber primus epigramatum (Rom, 1551). Bayerische Staatsbibliothek (D-Mbs 4 Mus.pr. 94#Beibd.8). RISM ID no. 990038714 - RISM Catalog | RISM Online. Der Band enthält die Motette “Emendemus in melius.” Online verfügbar, CC BY-NC-SA 4.0

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