Die vielen Leben des Freiherrn Friedrich von Boyneburgk
Klaus Rettinghaus
Thursday, August 29, 2019
Wir freuen uns sehr über den uns zugesandten Beitrag von Klaus Rettinghaus, Leipzig. Die RISM-Daten wurden inzwischen überarbeitet und bereinigt. Sie erscheinen nach der nächsten Aktualisierung des RISM-Katalogs.
Normdaten können eine große Hilfe sein beim Auffinden von Materialien, die zu bestimmten Entitäten, zumeist Personen, in Beziehung stehen. Insbesondere bei den Personen im RISM-Katalog, da vor allem bei Individuen der Zeit vor dem 19. Jahrhundert die vielen Namensvarianten Verwirrung stiften können. Teils weil Komponisten in latinisierten, italienisierten oder gar in französischen Schreibweisen auftauchen, teils weil die ohnehin schon vielfältigen historischen Schreibweisen in jüngerer Zeit noch durch übereifrige Bibliothekare oder Forscher vermehrt wurden. Allerdings kann es natürlich auch zu Problemen führen, wenn Personen eben nicht eindeutig identifiziert wurden.
Betrachten wir Friedrich von Boyneburgk, der im 19. Jahrhundert als „sehr fruchtbarer Componist, fertiger Klavierspieler und guter Clarinettist“ angesehen war (Hermann Mendel, Musikalisches Conversations-Lexikon, 1872, S. 161). Der Eintrag in Schillings Encyclopädie der gesammten musikalischen Wissenschaften listet einige seiner Werke auf (S. 739 ff.), gibt bedauerlicherweise aber keine Lebensdaten preis. Darauf, dass es sich hier um den Freiherrn Carl Friedrich von Boyneburgk (1779–1854) handelt, hat zuerst Ulrich Leisinger hingewiesen (_Die Bach-Quellen der Forschungs- und Landesbibliothek Gotha_, S. 22). Belegt wird dies durch Boyneburgks Kompositionsstudien und die Briefe seines Lehrers Karl Gottlieb Umbreit an ihn, die als Teil der Sammlung Gorke im Bach-Archiv Leipzig verwahrt werden.
Bekannt geworden ist Boyneburgk vor allem durch verschiedene Variationswerke und vierhändige Klavierarrangements einiger Opern. Die Variationsbreite des Namens unseres Komponisten ist in den gedruckten Werken erfreulich gering, nur selten findet sich sein erster Vorname – wenn überhaupt, dann in der französischen Form „Charles“, wobei vereinzelt auch der Nachname zu „Boynebourgk“ angepasst ist –, hier und dort ist zusätzlich auch der Adelstitel „Baron“ angegeben. In den handschriftlichen Quellen, die im RISM-Katalog verzeichnet sind, ist die Situation sogar noch unkomplizierter, sodass eigentlich keine Probleme bei der Zuordnung auftauchen sollten.
Dennoch haben sich im RISM-Katalog immerhin vier verschiendene Personeneinträge zu ihm angesammelt (pe30000457, pe30000458, pe30019201 und pe30091347). In der Gemeinsamen Normdatei (GND) der Deutschen Nationalbibliothek (DNB) sogar fünf. (Zwei Datensätze gehen dabei auf katalogisierte Materialien in der Herzog August Bibliothek und der Staatsbibliothek zu Berlin zurück). Da RISM seine Personen-Normdaten auch an die VIAF existieren dort sogar nicht weniger als elf verschiedene Datensätze für Friedrich von Boyneburgk.
Was kann gegen dieses Chaos unternommen werden? Beispielsweise kann man die Datenhalter auf die Fragmentierung hinweisen. Im Katalog der DNB findet sich bei Personendatensätzen auf der rechten Seite die Möglichkeit eine Korrekturanfrage zu stellen. (Wenn man auf diese Weise eine Korrekturanfrage stellt, erhält man nur selten eine Rückmeldung.) Da in diesem Fall aber mehrere Dubletten vorliegen, empfiehlt sich ein kontrollierteres Vorgehen: Seit über zehn Jahren sammelt die Wikipedia Fehler in GND-Personendatensätzen und meldet diese der zuständigen Redaktion. Diese Kooperation funktioniert sehr gut; der Vorgang ist öffentlich einsehbar und nachverfolgbar, darüber hinaus dokumentiert die GND-Redaktion die Änderungen und gibt Rückmeldung. Zum Sammeln der Fakten habe ich zunächst einen neuen Eintrag in Wikidata angelegt, ergänzend dann noch einen kurzen Artikel zu Friedrich von Boyneburgk verfasst; abschließend habe ich dann eine Fehlermeldung eingetragen. Hier heißt es allerdings nun: Warten, denn bis die so gemeldeten Normdaten in der GND korrigiert sind, können gerne anderthalb Jahre vergehen.
Der RISM Serie A/I zugeordnet finden sich unterdessen noch drei undatierte Drucke mit Bearbeitungen Friedrich von Boyneburgks:
- RR 2439a (nach Hofmeister 1829 erschienen)
- M 1942 (nach Hofmeister 1831 erschienen)
- CC 2028 I,143 (nach Hofmeister 1829 erschienen)
Abbildungen: Titelseite aus Cherubinis Wasserträger, arrangiert von Boyneburgk (CC 2028 I,143). Online einsehbar das Exemplar aus D-Mbs 2 Mus.pr. 4404.
(noch nicht in RISM) GB-Lbl E.824. Shakespeare’s Lieder, mit Begleitung des Piano-Forté … Erste (zweite) Lieferung 16tes. Werk, Offenbach a/M , J. André, ca. 1830.
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