Die Klaviernocturnes von John Field
Monday, September 11, 2017
Das Jahr 1812 brachte dem europäischen Kontinent schlimme Kriegswirren, als die Armee Napoleons durch ganz Europa nach Russland zog und Moskau erreichte. Der Ausgang war, wie wir alle wissen, katastrophal für die sogenannte deuxième Grande Armée. Es war der Anfang vom Ende der napoleonischen Herrschaft über Frankreich und Europa.
Aber neben all diesen schrecklichen Kriegsereignissen wuchs etwas kleines wunderbares heran: Im vom Krieg verschonten St. Petersburg entstand das erste Klaviernocturne der Musikgeschichte. Sein Komponist war der Ire John Field (1782-1837). Er galt als pianistische Ausnahmeerscheinung in seiner Zeit. Beruflich mit Muzio Clementi verbunden blieb Field nach einem längeren Aufenthalt mit ihm in St. Petersburg im Jahre 1803 einfach dort. Neben seiner umfangreichen Lehrtätigkeit lebte er vom regelmäßigen Konzertieren. Field gilt als einer der Begründer der Russischen Klavierschule. Seine bekanntesten Klavierschüler waren Charles Mayer, Antoni Kątski, Alexei Werstowski, Alexander Guriljow, Alexandre Dubuque und Maria Szymanowska.
Sein Klavierspiel wurde von seinen Zeitgenossen über alle Maßen gewürdigt, gerade weil es sich vom Mainstream so unterschied. Beschreibungen seines Spiels von Louis Spohr, Johann Nepomuk Hummel oder Michail Glinka sind uns erhalten. Dabei heben sie vor allem seinen differenzierenden Anschlag hervor und die körperlich wenig bewegte Spielweise, die zu einem besonderen Klavierklang führte.
Bis in unsere Tage inspirierte Field die Komponisten. Besonderen Einfluss hatte er auf Frédéric Chopin. Dessen Nocturnes festigten dann unsere Vorstellung von dieser Gattung Charakterstücke. Fields Nocturnes sind durch liedhafte ruhige weit gespannte Melodien in der rechten Hand gekennzeichnet und von weitgriffigen Akkordbrechungen in der linken Hand als Begleitfiguren. Schnelle Läufe unterbrechen den gemäßigten Fluss der Stücke nur selten, wenige haben vorwärtsdrängende Abschnitte. Variierende Kompositionstechniken und motivische Verarbeitung kennen sie nur in Ansätzen. Leittöne und Vorhalte auf betontem Taktteil streben unbedingt nach Auflösung. Sie sorgen für die harmonische Spannung in den lyrischen Nocturnes.
Field publizierte nicht nur in Russland, z. B. bei Dalmas. Im restlichen Europa verlegte im größeren Umfang in Leipzig Breitkopf & Härtel seine Werke, in London Clementi & Co. und in Paris Pacini sowie Richault & Momigny, wodurch er international dauerhaft bekannt wurde. In Deutschland blieb selbst nach dem Tode des Komponisten die hohe Anzahl an Publikationen seiner Werke lange Zeit ungewöhnlich hoch.
Field schrieb insgesamt 18 Nocturnes. Im RISM Online-Katalog werden 12 Quellen mit Nocturnes von John Field beschrieben. Ein Teil davon sind Autographe aus Berlin (Staatsbibliothek zu Berlin, D-B) und Moskau (Glinka Museum, RUS-Mcm).
Abbildung: John Field, ca. 1835, von Carl Mayer. Via Wikimedia Commons.
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