Johann Michael Closner (1786–1860) und die historischen Musikhandschriften und Musikdrucke im Stadtmuseum Trostberg
Helmut Lauterwasser
Wednesday, April 21, 2021
Der folgende Beitrag stammt von unserem Kollegen Helmut Lauterwasser (RISM Deutschland):
Zu den wichtigsten Aufgaben des RISM gehört die Katalogisierung historischer Musikquellen gerade auch in kleineren Bibliotheken, Archiven und Museen. Im Extremfall gibt es Bestände, die nur ganz wenige, manchmal sogar nur eine einzige historische Musikquelle aufbewahren. Diese Institutionen verfügen meist über keine fachlichen und personellen Ressourcen, die es erlauben würden, Musikalien wissenschaftlich fundiert und angemessen zu erschließen. Dies gilt für das bis ins 20. Jahrhundert hinein in zahlreiche Kleinstaaten und Fürstentümer aufgesplitterte Deutschland sogar noch mehr als für viele andere Länder, die seit Jahrhunderten zentralistisch regiert wurden. Für die Musikgeschichtsschreibung sind diese Bestände aber ein wichtiger Baustein, zum einen weil sie oft Unikate von Musikwerken enthalten, die nie über einen lokal eng begrenzten Raum hinaus Verbreitung gefunden haben, zum andern weil sich darin immer wieder auch Abschriften finden, die für die Quellenlage und Rezeption von Werken großer Komponisten bedeutend sind.
Beides trifft auf die Sammlung im Stadtmuseum Trostberg (D-TBh) zu, dessen historische Musikquellen nun im RISM-Katalog vollständig nachgewiesen sind. In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts bestimmte der nicht unbegabte Komponist Johann Michael Closner als Kirchenmusiker in Trostberg das Musikleben der Stadt entscheidend. Closners musikalischer Nachlass mit vielen Autographen und Erstdrucken seiner Werke ist in dem Trostberger Museum vollständig erhalten. Darunter befindet sich auch eine quellenhistorisch interessante Abschrift von Wolfgang Amadé Mozarts Missa brevis in G-Dur, KV Anh. C 1.12 (RISM ID no. 1001121198), die aus dem Kloster Seeon stammt.
Oft ergeben sich gerade bei kleinen, inhaltlich und historisch begrenzten Sammlungen beim Katalogisieren und der Arbeit mit den Quellen Erkenntnisse, z.B. Querverbindungen zu Quellen inner- oder außerhalb des Bestands, die nicht unmittelbar in die Katalogisate einfließen. Auch besteht die Gefahr, dass einzelne Einträge im riesigen Datenpool des RISM untergehen und damit von der Wissenschaft nicht angemessen berücksichtigt werden. Aus diesen Gründen ist jetzt als Onlinepublikation ein Aufsatz über die Trostberger Musiksammlung und die Musikerfamilie Closner erschienen, der versucht, den Bestand in die musikhistorischen Zusammenhänge einzuordnen. Erstmals wird dabei das kompositorische Schaffen Johann Michael Closners gewürdigt. Nebenbei wird dabei auch das Wirken von dessen Söhnen und Enkeln als Mitglieder des Münchner Hoforchesters beschrieben.
Der ganze Aufsatz wird als Volltext hier zur Verfügung gestellt.
Abbildung: Umschlag des Stimmensatzes von Mozarts Missa brevis in G-Dur, KV Anh. C 1.12, D-TBh, Signatur KH 51. Mit freundlicher Genehmigung des Stadtmuseums Trostberg.
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