Die Musiksammlung der Kirche St. Johannes der Täufer in Teplice
Ludmila Mikulášová
Thursday, January 28, 2021
Der folgende Beitrag stammt von Ludmila Mikulášová (RISM Prag):
Im 18. und 19. Jahrhundert war Teplice ein bedeutender Kurort, den viele europäische Berühmtheiten, gekrönte Häupter (z. B. Zar Peter der Große 1712, der schwedische König Gustav IV. 1804, der preußische König Friedrich Wilhelm III. 1812-1839) und bedeutende Künstler besuchten. 1812 trafen sich hier erstmals Johann Wolfgang von Goethe und Ludwig van Beethoven. Neben Beethoven besuchten auch Frederic Chopin, Robert Schumann, Franz Schubert, Richard Wagner und Carl Maria von Weber die Teplitzer Bäder. Bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts kamen immer wieder bedeutende Gäste nach Teplice, was der Stadt den Beinamen “Klein-Paris” einbrachte.
Eine wichtige Quelle zur reichen Musikgeschichte von Teplice ist die einzigartige Musiksammlung aus der Pfarrkirche St. Johannes der Täufer (RISM Bibliothekssigel: CZ-TEk), die das kirchliche Repertoire und das hohe Musikniveau der lokalen Bevölkerung vom frühen 18. bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts dokumentiert. Es handelt sich um eine bemerkenswerte Sammlung von etwa 1.500 Musikalien, die ich seit 2016 dank der institutionellen Förderung des Kulturministeriums der Tschechischen Republik an die Nationalbibliothek der Tschechischen Republik im Rahmen der langfristigen konzeptionellen Entwicklung der Forschungsorganisation, Bereich 2: Musikwissenschaft, in die RISM-Datenbank eingepflegt habe.
Das älteste datierte Musikstück ist die Vesper von Šimon Brixi aus dem Jahr 1721 (Originalsignatur Nr. 413). Der größte Teil der Sammlung besteht jedoch aus Werken deutscher und österreichischer Komponisten. Sie besteht vor allem aus zahlreichen Abschriften von Werken von J. Haydn, W. A. Mozart und L. v. Beethoven. Die Sammlung enthält auch eine große Anzahl von geistlichen Kompositionen Luigi Cherubinis. Aus dem 18. Jahrhundert gibt es lateinische und deutsche Kontrafakturen von Arien und Chören aus italienischen Opern. Die meisten stammen aus Opern von J. A. Hasse. Es handelt sich um musikdramatische Werke, die für Dresden komponiert oder in Dresden aufgeführt wurden.
In der Teplitzer Sammlung sind auch Kontrafakturen von Opernarien von G. Bonno und B. Galuppi erhalten. Die meisten dieser Kontrafakturen befanden sich in der Mitte des 19. Jahrhunderts im Besitz des Teplitzer Chorleiters Joseph Rohn. Diese Arien wurden in den 1840er und 1850er Jahren in Teplitz wiederholt aufgeführt, wovon die Anmerkungen auf den damals neu erworbenen Gesangspartien zeugen. Die Aufführung dieser anspruchsvollen Gesangspartien zeugt von dem hohen Niveau der hiesigen Sänger.
Tschechische Komponisten sind in der Sammlung in geringerem, aber nicht zu vernachlässigendem Umfang vertreten. Die meisten erhaltenen Kompositionen stammen von F. X. Brixi(31) und V. Maschek 2 Autographen, 27 Kopien). Die Abschriften von Mascheks Kompositionen sind außerordentlich wertvoll, da die meisten von ihnen datiert sind. Somit ist es möglich, die ungefähre Entstehungszeit dieser Werke zu bestimmen. Zu den anderen Abschriften gehören z.B. Werke von A. Laube (10) und J. A. Koželuch (8). Erhalten ist auch die umfangreiche Musiksammlung der Teplitzer Chorleiter: Josef Groh, ein gebürtiger Rumburker (1815-1881), und seinem Sohn, Josef Groh jr., der in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts tätig war. Ihr Nachlass umfasst 138 Objekte - darunter Autographen, Abschriften und Skizzen von geistlichen Kompositionen - und enthält zahlreiche Schulübungen und Übungskompositionen, die Josef Groh jr. während seines Studiums an der Prager Orgelschule anfertigte.
Die Sammlung umfasst auch mehrere Dutzend anonyme Stücke und Fragmente. Dank der RISM-Datenbank konnte ich bereits die Urheberschaft von 47 von ihnen bestimmen. Es handelt sich um eine bedeutende mitteleuropäische Sammlung geistlicher Musik, die uns eine Vorstellung davon gibt, wie geistliche Musik in einer wichtigen Kurstadt im 18. und 19. Jahrhundert aufgeführt wurde.
Abbildung: Die Pfarrkirche St. Johannes der Täufer in Teplice, von Qwertz0451, via Wikimedia Commons (CC0 1.0).
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