Neue Vivaldi-Entdeckungen in Dresden
Francisco Javier Lupiáñez Ruiz
Thursday, October 8, 2015
Den folgenden Gastbeitrag schrieb Francisco Javier Lupiáñez Ruiz:
Vor zwei Jahren startete ich mit den Vorbereitungen zu einem Konzertprogramm mit anonymen Werken aus der Schrank II-Sammlung in der Sächsischen Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek Dresden (SLUB). Der Schrank II enthält eine große Sammlung von Kompositionen, die der Konzertmeister Johann Georg Pisendel während der 1. Hälfte des 18. Jahrhunderts sammelte. Die enge Beziehung zwischen Pisendel und Vivaldi macht den Schrank II zu einem Fundus von Vivaldis Musik und ist eine Quelle für zahlreiche Neuentdeckungen.
Während den Vorbereitungen zu meinem “Anonymous Programm” galt der Sonate in A-Dur für Violine und Continuo (RISM no. 212001952) meine Aufmerksamkeit, wegen ihrer angeblichen Nähe zur Musik Vivaldis. Obwohl mir das Stück bekannt vorkam, wurde es bei RISM als anonyme Komposition geführt und nicht in den Vivaldi Werkverzeichnissen erwähnt. Schließlich habe ich den ersten Satz der anonymen Sonate als eine Version des zweiten Satzes von Vivaldis Violinkonzert RV 205 (RISM no. 212000134) identifiziert.
Nach dieser Entdeckung kehrte ich zu den Vorbereitungen meines Anonymus-Programm zurück. Ein weiteres Werk - eine Triosonate für Violine, Violoncello und Basso continuo (RISM no. 212002034) erregte meine Aufmerksamkeit. Ich spielte diese Sonate meinem ehemaligen Lehrer Enrico Gatti vor und er bemerkte sofort, dass die Gigue dieser Triosonate der Gigue aus Vivaldis Dresdener Sonate für Violine und Continuo RV 10 (RISM no. 212001817) sehr ähnlich ist.
Diese Werke sind namentlich nicht gekennzeichnet und die bloße Ähnlichkeit mit der Musik Vivaldis war nicht ausreichend um seine Autorschaft zu beweisen, daher waren weitere Recherchen notwendig. Dabei habe ich ein weiteres Werk mit starken Verbindungen zu Vivaldi. Die Kadenz des Konzerts für Violine und Orchester D-Dur in der Handschrift Mus.2-O-1,45 (RISM no. 212003601) ist der zu Vivaldis Kadenz aus RV 212/RV 205 (RISM no. 212000137) und RV 562 (RISM no. 212000216) sehr ähnlich. Außerdem befindet sich in allen Tutti-Stimmen der Vermerk “qui se ferma a piacimento”. Dieser Satz ist eng mit Vivaldi verbunden und ist von grundlegender Bedeutung in der neuen Diskussion über ein anderes in Dresden gefundenes Vivaldi-Konzert (RISM no. 212003586).
Nach diesen einleitenden Entdeckungen habe ich begonnen meine Doktorarbeit sorgfältig auszuarbeiten und den notwendigen Beweis, um die Autorschaft Vivaldis zu unterstützen, zusammen zu tragen. Als Ergebnis trifft die Zuschreibung an Vivaldi in allen Fällen zu.
Die durch RISM zur Verfügung gestellten Informationen und Werkzeuge waren eine große Hilfe bei dieser Studie. Information zum Kopisten, zum Wasserzeichen, das Format des Papiers, die Incipits und andere wertvolle Information können leicht über den RISM Online-Katalog zu finden.
Das folgende Beispiel stammt aus RV 820 des RISM Online-Katalogs:
Die durch RISM gegebenen Informationen sind wichtig und leicht zugänglich. Dank des Wasserzeichens, der Datierung und anderer Informationen, können wir die Handschrift in einen Zusammenhang stellen. Diese Sonate wurde insbesondere von Johann Georg Pisendel vor seiner Ankunft in Dresden, vermutlich während seiner Studien bei Torelli in Ansbach (von 1697 bis 1712), geschrieben. Über die Suche im RISM Online-Katalog findet man noch weitere von Pisendel geschriebene und nach Dresden mitgebrachte Manuskripte mit demselben Wasserzeichen aus dem gleichen Zeitraum. Die Verbindungen zwischen Torelli (dem vermutlichen Lehrer Vivaldis), Pisendel und Vivaldi nehmen hier deutlichere Züge an:
Es gibt über 60 Sonaten für Violine und Continuo, ungefähr zwölf Triosonaten für Streicher und mehr als 50 Konzerte, die in Schrank II anonym bleiben; die meisten davon sind online verfügbar und mit RISM verlinkt. Die Hilfsmittel der SLUB und des RISM sind bestens für weitere Neuentdeckungen geeignet und werden helfen den ein oder anderen Namen auf die bisher nicht namentlich gekennzeichneten Handschriften zu setzen.
Bildnachweis: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden, Kadenz zum Konzert Mus.2-O-1,45
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