Von fehlerhaften und korrigierten Titelblättern
Thursday, November 25, 2021
Stellen Sie sich vor, Sie haben als Stecher für einen Musikverlag einen oder gar mehrere Tage mit der Anfertigung einer Stichplatte für das Titelblatt eines Notendrucks verbracht und bemerken im fortgeschrittenen Stadium einen Fehler. Was nun? Von vorn beginnen? Den Fehler beibehalten? Oder lässt sich er sich auf irgendeine Weise korrigieren?
Kleine Fehler konnte man mitunter aus der Platte herausschlagen, aber wenn die Länge einer Zeile doch nicht ausreichte oder ein Buchstabe vergessen wurde, war das Problem auf diese Weise nicht zu beheben.
Ein solcher Fehler findet sich auf der von Schott unter Verlagsnummer 1452 verzeichneten Ausgabe von Leonhard von Calls Duos op. 4 Livre 2 ([1820]). Auf dem Titel der Flauto-Secondo-Stimme steht: “Oevre 4” statt “Oeuvre 4”. Die Flauto-Primo-Stimme weist ein fast identisches, aber neu angefertigtes, fehlerfreies Titelblatt auf. Abweichend ist z. B. der Abstand zwischen den beiden Worten der ersten Zeile sowie die Position des Wortes „PAR“ unterhalb der Besetzungsangabe. (Bei diesem Beispiel handelt es sich zugegebenermaßen nicht um einen Stich, sondern um eine lithographierte Ausgabe.)
Leonhard von Call, Trois duos pour deux flutes, Schott 1452, ([1820]). RISM ID no. 991012312, A/I: CC 72a I,15. Bayerische Staatsbibliothek (D-Mbs) Mus.Schott.Ha 1442-4.
Bei den Namen von Komponistinnen und Widmungsträgerinnen muss man etwas vorsichtiger sein, den Stecher oder die Stecherin eines Fehlers zu beschuldigen – man denke an die schier unerschöpfliche Anzahl möglicher Schreibweisen bei einigen Namen wie Johann Baptist Vanhal, für den im Personendatensatz bei RISM 51 Namensvarianten verzeichnet sind. Nur weil uns eine Schreibweise heute merkwürdig vorkommen mag (etwa „Mozard“), bedeutet das nicht, dass sie zeitgenössisch unüblich war. Das gilt auch für den vielfältigen Umgang mit Umlauten und für die Verwendung von fremdsprachigen Namensvarianten. Hier zeigt sich, weshalb die Wiedergabe eines diplomatischen Titels und gleichzeitig die Verwendung bzw. Verlinkung normierter Namensformen in den RISM-Datensätzen so wichtig ist.
So tauchen auf den Titelblättern verschiedener Notendrucke Joseph Küffners im Verlag Schott in Mainz gleichermaßen die Formen Küffner, Kuffner, Kûffner and Kuͤffner auf.
Joseph Küffner, 10 pieces pour guitarre, flûte et alto, Schott 574, [1812]. D-Mbs Mus.Schott.Ha 725-1; Serenade pour clarinette ou violon, alto & guitarre, Schott 710, [1813]. D-Mbs Mus.Schott.Ha 833; Cinquieme Pot-Pourri pour guitarre et flûte, Schott 1699, [1822]. D-Mbs Mus.Schott.Ha 1633-2; and two editions of Polonaise favorite pour Piano-Forte, Schott 1875, [1823]. D-Mbs Mus.Schott.Ha 1796-1 and D-Mbs Mus.Schott.Ha 1796-2.
Hingegen lässt sich bei dem folgenden Titelblatt kaum leugnen, dass dem Stecher offenbar ein Fehler unterlaufen war und er das fehlende „e“ bei „Bethoven“ pragmatisch ausgebessert hat.
Ludwig van Beethoven, Ouverture de Prometeo, Schott-Titelauflage der früheren Zulehnerausgabe, Verlagsnummer 241, [1818]. D-Mbs Mus.Schott.Ha 484-1.
Zum Schluss noch ein persönlicher Favorit, bei dem Sie selbst überlegen dürfen, ob die Aufmachung des Titels Absicht oder Folge wovon auch immer ist:
Wolfgang Amadeus Mozart, Cosi fan tutte, Schott 1483, [1821]. RISM ID no. 990043315; A/I M/MM 4749. D-Mbs Mus.Schott.Ha 1458.
Alle Bilder werden unter der CC BY-NC-SA 4.0 Lizenz verwendet.
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