Das Rätsel um die Datierung
Monday, February 29, 2016
Wir geben heute einen Beitrag unserer Kollegen vom MusiCB3 Blog der Cambridge University (CC-BY) wieder:
Was? Ist MusiCB3 verrückt geworden? ZWEI Beiträge zum Valentinstag in diesem Jahr? Eigentlich nein. Hier geht es um ein sehr wichtiges Thema – die Datierung gedruckter Musik. Ich weiß, dass das nicht sonderlich aufregend klingt, aber üben Sie Nachsicht mit mir …
Also, Sie haben ein Musikstück vor sich liegen, auf dem sich kein Datum befindet. Starten wir die Suche nachder Datierung …
Für Musik vor dem 20. Jahrhundert, ist es hilfreich erstmal nach einem Wasserzeichen zu suchen. Manchmal ist es sehr leicht zu entdecken, manchmal schwierig bis unmöglich. In den meisten Fällen werden Sie es nicht mit dem bloßen Auge bei Tageslicht erkennen können (vor allem nicht in dieser grauen Jahreszeit), aber durch eine Taschenlampe oder UV-Licht können Sie das Papier zum Leben erwecken. Einige Wasserzeichen sind komplexe Darstellungen und können exakt datiert werden – viele von Bachs Manuskripten konnten durch die Auswahl der Wasserzeichen des benutzen Papiers datiert werden (siehe den Katalog der Bachschen Wasserzeichen von Wisso Weiss). Einige Wasserzeichen sind dem Katalgosierer von Musik besonders angenehm, jene die ein Datum bezeichnen. So wurden viele Lieder von Charles Dibdin in unserer Sammlung datiert.
Und wenn es kein Wasserzeichen gibt oder es nicht beweiskräftig ist? Dann gibt es eine Reihe anderer Dinge, die Sie untersuchen können. Viele Verleger, vor allem jene, die direkt in ihren Räumlickeiten Musikalien verkauft haben, haben ihren Namen und eine hilfreiche Adresse auf die Titelseite gedruckt. In einigen Fällen ist es sehr leicht, einem Datum eine spezielle Adresse zuzuordnen. Beispielsweise haben Sie ein Stück herausgegeben von Duff & Stewart, das aus der Mitte des 19. Jahrhunderts stammt. Glücklicherweise ist die Adresse “20 Oxford St., 51 Hanway St.” in Victorian music publishers : an annotated list von John A. Parkinson aufgelistet. Dies bestätigt, dass Duff & Stewart nur für eine kurze Zeit (1867-1868) in der Oxford St. / Hanway St. tätig waren, bevor sie die Oxford Street weiter runter zogen. Zuvor hatte Duff eine anderen Geschäftspartner, daher ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass der Druck in diese beiden Jahre datiert werden kann.
Plattennummern sind besonders hilfreich bei der Datierung von Musikdrucken. Das sind Zahlen, die am unteren Rand jeder Steindruckplatte (gelegentlich auch auf den Titelseiten) bei den Musikdrucken angebracht wurden. Gewöhnlich erhielten verschiedene Werke auch verschiedene Nummern und weil die Nummern fortlaufend verwendet wurden, können sie eine chronologische Liste ergeben, was wann gedruckt wurde. Es stehen nützliche Kataloge zur Verfügung, die die Plattennummern einzelner Verleger auflisten oder von Plattennummern die von den Verlegern in verschiedenen Ländern verwendet wurden. Wie war das beispielsweise mit der C.F. Peters Edition von Friedrich Kiels Requiem?
In diesem Fall haben wir mehrere Anhaltspunkte. Wir haben die Plattennummer – 4358. Wenn wir diese Nummer in Otto Erich Deutschs Verzeichnis Musikverlags Nummern nachschlagen, das (vornehmlich) die Plattennummern der deutschen und österreichischen Musikverleger des späten 18. und 19. Jahrhunderts auflistet, sehen wir, dass die Plattennummer 4344 bis 1862 verwendet wurde und es ab 1864 mit der Plattennummer 4438 weiter geht. Die genannten Plattennummer sollten noch durch eine andere Quelle überprüft werden, aber es ist doch sehr wahrscheinlich, dass das Requiem 1862 oder 1863 veröffentlicht wurde, jedenfalls nicht früher als 1862 und nicht später als 1864.
In diesem Fall haben wir einen weiteren Beweis, dass KielsRequiem 1862 gedruckt wurde, da es im Oktober 1862 im Hofmeister-Katalog angekündigt wurde. Von 1829 an veröffentlichte der Leipziger Verleger Friedrich Hofmeister einen monatlich oder zweimonatlich erscheinen Katalog der gerade gedruckten Musikalien, vor allem des deutschsprechenden Europa. Hofmeister, gemeinsam mit Whistling, sind wichtige Quellen zur Datierung gedruckter Musik des 19. Jahrhunderts. Der Hofmeister-Katalog ist kostenlos online verfügbar und es lohnt sich, einen Blick hineinzuwerfen.
Friedrich Hofmeister. Mit freundlicher Genehmigung von Hofmeister XIX
QED im Falle von Kiels Requiem? Nicht ganz. Es ist auch möglich, dass diese Ausgabe, die sich in unserem Besitz befindet, mit der selben Plattennummer viel später erschien. Dafür gibt es weitere Hinweise. Währungen in Europa veränderten sich und schwankten im 19. Jahrhundert. Auf Kiels Requiem beispielsweise ist der Preis von 7 Thlr (d.h. 7 Thaler) genannt. Der Gebrauch von Thaler sagt uns sofort, dass die Veröffentlichung vor 1874 - vor der Einführung der Mark - liegen muss. Aber Dank Hofmeister können wir noch genauer werden. Das Werk wurde mit 7 Thaler im Hofmeister-Katalog von Oktober 1862 angezeigt, in späteren Ausgaben hat sich der Preis geändert. Daher muss Sommer / Herbst 1862 für die uns vorliegende Edition zutreffen. QED.
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