Seminarbericht: Notierte Musik im digitalen Bereich
Monday, November 26, 2018
Wird es jemals ein “Google Books” für Musik geben? Kann die motivische Suche einer Fuge automatisiert werden? Sind vom Tintenfraß befallene Stimmbücher für immer verloren? Dies waren einige der Fragen, die auf der Tagesordnung des Seminars Notated Music in the Digital Sphere: Possibilities and Limitations (Notierte Musik im digitalen Bereich: Möglichkeiten und Grenzen) in der norwegischen Nationalbibliothek standen. Es wurde von unserer Kollegin Margrethe Bue (RISM Norwegen) aus der Musikabteilung der Bibliothek organisiert.
Ich (Jennifer Ward) von der RISM Zentralredaktion wurde eingeladen, um über die Rolle von RISM in der digitalen Landschaft zu sprechen. Ich stellte die Datenstruktur und den Nutzen von Muscat, unserem Katalogisierungsprogramm, vor, um zu zeigen, wie RISM-Daten als Werkzeug für eine ganze Reihe von Forschungsprojekten benutzt werden können. Aus dieser Perspektive war es interessant, Projekte kennenzulernen, die auf den ersten Blick nur wenig mit RISM zu tun haben: Beispielsweise die Frage wie elektronische Musik des 20. Jahrhunderts und ihre Aufführungen bewahrt werden können; aber auch hier geht es um die Fragen von (Quellen-)Beschreibungen und Zugang zu den Daten.
Drei Vorträge waren aus RISM-Perspektive besonders interessant: Axel Teich Geertinger (Dänisches Zentrum für Musikedition an der Königlichen Dänischen Bibliothek) zeigte, wie Musik auf Grundlage der Music Encoding Initiative (MEI)kodiert werden kann und so such- und vorzeigbar wiedergegeben werden können, selbst wenn die Notation einigermaßen komplex (z.B. beim Projekt Beethovens Werkstatt) sind oder für Online-Werkverzeichnisse genutzt werden. Andrew Hankinson (Bodleian Libraries) demonstrierte unter anderem, wie mit Hilfe von IIIF framework Zugang zu den gewaltigen (und noch ständig wachsenden) Mengen an digitalen Abbildungen, die Bibliotheken bereitstellen, bieten kann. Sind die Bilder erst einmal entsprechend kodiert, kann eine Suchmaschine entwickelt werden, die den Nutzer verschiedene Suchmöglichkeiten (wie z.B. nach Notenschlüsseln) bietet, so dass man sich alle Abbildungen dieses Schlüssels anzeigen lassen kann, um Ähnlichkeiten bei Schriftproben zu erforschen.
Julia Craig-McFeely (University of Oxford, DIAMM) gab uns Einblick in die “forensische digitale Wiederherstellung” eines 500 Jahre alten Stimmbuchs, das durch Tintenfraß beschädigt ist. Mit Hilfe von Photoshop und einem Team engagierter Ehrenamtlicher wurden hochauflösende Scans von John Sadler’s Stimmbüchern (GB-Ob Mus.e.1-5) von säurebedingten Schäden befreit und so scheinbar verlorene Noten wieder sichtbar gemacht. Das Ergebnis ist ein digitaler Satz von Stimmbüchern, der nun für Aufführungen und Studienzwecke zur Verfügung steht. Das beeindruckende Video zeigt den zweieinhalbstündigen Bearbeitungsprozess (nur für eine Seite!), komprimiert in acht Minuten:
Die Nationalbibliothek in Oslo ist eine relativ junge Einrichtung (gegründet 1989), aber das Sammeln und Bewahren des Kulturerbes hat natürlich schon eine längere Tradition. Die Institution hat ihren Sitz im früheren Gebäude der Universitätsbibliothek von Oslo (gebaut 1914). Die Nationalbibliothek hat viele ihre Bestände online verfügbar gemacht. Ich möchte Margrethe Bue für die freundliche Einladung, im Rahmen des Seminars zu sprechen, danken.
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