Heute schon eine Initiale entschlüsselt?
Martin Bierwisch
Monday, July 10, 2017
Der folgendeArtikel stammt vonMartin Bierwisch,studentischer Mitarbeiter in der Zentralredaktion.
Gelegentlich erhalten wir von fleißigen Nutzern des RISM Online-Katalog Hinweise auf Identifizierungen von Musikalien, besonders zu Musikdrucken, welche mit Initialen für die Autorenangabe versehen sind (also A/I: IN und ININ). Im Folgenden soll kurz auf einige Beispiele eingegangen werden, bei denen es schon möglich war, die Komponisten zu identifizieren.
Die Gründe den Namen überhaupt zu verschlüsseln, können dabei vielfältig sein und haben auch Auswirkungen auf die mögliche Identifizierung. Besonders schwierig dürfte die Identifizierung bei französischen Drucken sein, bei denen sich Angaben finden wie: „Mr. B. L., amateur“ (IN 30; RISM ID no. 990072877), „Mr. F.“ (IN 73; RISM ID no. 992004678), „Mr. L.“ (ININ 145a; RISM ID no. 991010827). Die Menge an Amateurmusikern in Paris, die vielleicht ein oder zwei kleine Werke verlegt haben, ist schier unüberschaubar. Ein zweiter Typus, den man häufiger findet, sind Gelegenheitswerke zu bestimmten Anlässen, wie Trauungen, Geburtstage, Beerdigungen und Besuche hoher Persönlichkeiten. Bei solchen Anlässen steht der Komponist nicht im Mittelpunkt, so muss er/sie sich auch nicht auf einem Titelblatt mit vollständigen Namen verewigen. Besonders stark vertreten sind Kompositionen im Zusammenhang mit Leichenpredigten aus dem 17. Jahrhundert. Bei diesem Typus hat man schon eher die Möglichkeit den Komponisten zu finden; so könnte es beispielsweise der hiesige Kantor sein, der Musik für den Anlass komponierte, oder eine andere im Umfeld agierende musikalische ausgebildete Person. Wer in diesem Zusammenhang ein Rätsel lösen möchte, sei beispielsweise auf IN 235 (RISM ID no. 990073096) verwiesen.
Doch nun zu den Beispielen:
IN 52 (RISM ID no. 990072899) Die “Favorit-Tänze für das Offenbacher Casino”, welche bei André in Offenbach mit der Plattennummer 3994 verlegt wurden, sind mit der Angabe “C. S.” verzeichnet. Im gedruckten A/I-Band findet man sogar die Vermutung, dass die Komposition von einem gewissen “Charles Saust” sein könnte. Dies ist jedoch recht unwahrscheinlich, handelt es sich bei ihm um einen englischen Flötisten. Im Verlagsverzeichnis von Britta Constapel (ConstapelA 1998) findet sich ein “C. Spahn” für jene Komposition. Dieser schrieb nicht nur Tänze dieser Art (insgesamt neun Sammlungen für Klavier), sondern belieferte André auch mit anderen Klavierstücken.
Eine Polonaise von 1820 von Michał Kleofas Ogiński (OO 23 I,34; RISM ID no. 991023161) führt einen gewissen Carl Spahn als Bearbeiter. Zu dieser Zeit ist jener C. Spahn noch lange für André tätig, das letzte Werke von ihm bei André erscheint ca. 1835 (PN 5971). Es ist also wahrscheinlich, dass es sich hier um denselben Spahn handelt.
IN 15 / ININ 15 (RISM ID no. 990072862) Für folgenden Hinweis zu „A. v. K. geb. v. S.“ sei Prof. Dr. Beer an dieser Stelle gedankt. Am 15. März 1808 zeigt der Berliner Verleger Rudolph Werckmeister in den Berlinischen Nachrichten von Staats- und gelehrten Sachen das “Wiegenlied für die am 1. Februar geborne Königlich-Preussische Prinzessin” mit dem Verweis auf die Komponistin “Agnes v. K, geborene v. S…” an. Am 17.12.1808 findet dann ein anderes Werk von “A. von Knobloch” seinen Weg in die Zeitung. Mag dies noch nicht eindeutig genug sein, muss man nur noch herausfinden, dass am 18.7.1797 in Königsberg der Offizier Karl Ludwig Erhard von Knobloch eine gewisse Agnes von Schroetter heiratet. So war es doch dann recht eindeutig, dass IN/ININ 15 von Agnes von Knobloch komponiert wurde. In Robert Eitners Quellenlexikon (EitnerQ, Bd. 5, S. 394) findet man den Verweis auf eine „Agnes von Knobl au ch“, von der die „Kgl. Hausbibl. zu Berlin […] aus dem Anfange des 19. Jhs. 6 Romanzen“, erschienen bei Werckmeister, und „6 Gedichte von Schiller und 6 andere Ges[än]ge.“ im Manuskript besaß. Im RISM-Opac findet man zu jener allerdings nur Trauermusik (RISM ID no. 452028644). Dass es sich bei all diesen Werken um die gleiche Komponistin handelt, ist wahrscheinlich, doch müsste dies erst einmal in einer grundlegenden Studie bewiesen werden.
IN 16 (RISM ID no. 990072864) Ein weiteres Beispiel zeigt einen nicht unüblichen Nebeneffekt der Anonymisierung: Caroline von Egloffstein schlich sich mit ihrem Rufnamen „Aline“, obwohl mit dem Jahr 1789 eigentlich zu spät für die A/I-Reihe geboren, doch noch in die Bände hinein. Es handelt sich dabei um die „Sechs Gesänge mit Begleitung der Guitarre“ von ca. 1817/18 (siehe Abbildung). Die Zuordnung war in diesem Fall über das von ihr erstellte „Verzeichnis der selbst componirten Lieder“ (D-WRgs, Signatur: 32/1506a) möglich. Der Titel der gedruckten Ausgabe ist allerdings nirgends genannt. (Freundliche Auskunft von Evelyn Liepsch, Goethe- und Schiller-Archiv Weimar). Wie es zum Verlag bei Carl August Kruschwitz (PN 210) in Hannover kam, ist somit noch unklar.
Rückschlüsse auf Namen sind über vielerlei Wege möglich, sei es nun über Spezialstudien zu Musikverlagen oder durch Zeitungslektüre. Der A/I Band 9 führt 276 Nummern unter den Drucken mit Initialen, mit dem Band 14 konnten bereits einige aufgelöst werden, doch kamen eben auch wieder fast 50 neue dazu. In einem nächsten Beitrag werden weitere Beispiele erläutert werden.
So stellt sich die Frage: Haben Sie heute auch schon ein paar Initialen entschlüsselt? Dann schreiben Sie uns! Das gleiche gilt natürlich auch für anonyme Kompositionen.
Abbildung: Sechs Gesänge mit Begleitung der Guitarre von Caroline von Egloffstein (RISM A/I: IN 16; RISM ID no. 990072864), aus der Privat-Bibliothekvon Axel Beer (D-KWbeer). Das Exemplar der Anna Amalia Bibliothek (D-WRtl) ist dem Bibliotheksbrand 2004 zum Opfer gefallen, allerings ist einDigitalisat des Mikrofilmszu finden.
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