Ein Praktikum in Etappen: Wie ein Praktikum trotz Corona-Pandemie möglich wurde

Julius Rüttger

Monday, February 8, 2021

Bericht über das Praktikum in der RISM-Zentralredaktion in Frankfurt am Main

Mein Praktikum in der RISM-Zentralredaktion in Frankfurt/Main war geprägt von der Corona-Pandemie 2020. Begonnen hat alles im Dezember des Jahres 2019 mit der Bewerbung und einem anschließenden Vorstellungsgespräch in den Räumlichkeiten der Zentralredaktion in Anwesenheit des damaligen Leiters Klaus Keil und der Stellvertreterin Dr. Martina Falletta. Im Anschluss an das erfolgreich verlaufene Gespräch folgte noch eine Führung durch die Räumlichkeiten der Zentralredaktion, bei der ich die einzelnen Mitarbeiter*innen kurz kennenlernen konnte.

Am 26. Februar 2020 war es schließlich soweit, das Praktikum nahm seinen Anfang. Zunächst wurde mir das Erfassungsprogramm Muscat, welches all die Mengen an Daten enthält, erklärt. Dabei war es für mich zunächst doch recht schwer zu verstehen, was wann wie passiert, was was bedeutet und wo etwas hingehört oder nicht, da ich noch nie mit so einem Programm gearbeitet hatte.

Um mich an das Programm zu gewöhnen Meine wurde mir eine erste Aufgabe gestellt, welche mich tatsächlich die nächsten Tage beschäftigte. Anhand einer Excel-Liste waren Datensätze zu bearbeiten, bei denen ein Link von der falschen an die richtige Stelle im Datensatz zu übertragen war

Neben der wöchentlich stattfindende Redaktionssitzung, an der ich teilnehmen durfte, wurde ich auch zu kleineren Besprechungsrunden hinzugerufen, wenn es beispielsweise um die Planung der sogenannten News-Beiträge für die RISM-Webseite ging, die neben Facebook und Twitter ein Gros der Öffentlichkeitsarbeit darstellen.

Nachdem ich im Umgang mit Muscat mittlerweile schon etwas geübter war, bekam ich eine neue Aufgabe: Musikincipits schreiben. Incipits sind kleine, zweitaktige oder mindestens sechs Noten lange, Notenschnipsel, die es dem Suchenden ermöglichen, ein von ihm gesuchtes Musikstück zu identifizieren. Diese Incipits werden mit Hilfe des sogenannten Plaine & Easy-Codes eingegeben.

Anhand des Werkverzeichnisses von Christoph Graupner habe ich über die dort angegebene RISM-ID den entsprechenden Eintrag in der Datenbank gesucht und gefunden. Bei diesen Einträgen habe ich die meist noch fehlenden Incipits, vom Werkverzeichnis übernommen und eingegeben. Dadurch konnte ich mich auch leicht selbst überprüfen. Dabei war es anfangs eine große Herausforderung zu wissen, wie wird das Incipit nummeriert, welchen Schlüssel muss ich auswählen, wenn der Sopran singt, welchen wenn der Tenor singt. Weitere Fragen, die sich mir im Laufe der Zeit ergaben, waren zudem auch, wie kann ich Mehrtaktpausen angeben, wie funktioniert das mit der Balkung von Achtel- und Sechzehntelnoten, wie schreibt man Triolen? Für all diese Fragen konnte ich aber die praktische Hilfefunktion im Incipit Block von Muscat zugreifen.

So, wie ich mich im Umgang mit Muscat weiterentwickelte, entwickelte sich leider auch die Situation um das neuartige Coronavirus zum Schlechten hin. Mit kritischem Blick auf die sich stetig nach oben entwickelnden Infektionszahlen, bangte ich bereits in der zweiten Woche, ob ich das Praktikum wohl zu Ende bringen könnte, da das Wort Lockdown immer öfter im Raum stand.

Nichtsdestotrotz ging es erstmal weiter und ich bekam von Guido Kraus einen Einblick in die vielen verschiedenen Bibliothekssigel und wie sie entstehen. Er erklärte unter anderem, dass ein Bibliothekssigel im Prinzip wie ein Autokennzeichen funktioniere. Als Unikat führt es direkt zu den Standortangaben der Musikquelle, also beispielsweise zu Halterin oder Besitzerin.

Auch habe ich mich damit beschäftigt, wie man ein Werkverzeichnis in einem Datensatz ergänzt. Am Beispiel von Christoph Willibald Gluck konnte ich die noch fehlenden Werkverzeichniseinträge, welche ich einer Liste entnehmen konnte, ganz bequem über das Gluck-Online-Werkverzeichnis eintragen.

Im Anschluss daran durfte ich endlich eigene Einträge anlegen. Passend zum Beethovenjahr 2020 handelte es sich um Karteikarten zu Beethoven-Drucken aus verschiedenen österreichischen Bibliotheken (RISM ID no. 1001107851).

Und dann wurde der Lockdown ausgerufen, die Mitarbeiter der RISM-Zentralredaktion gingen ins Home-Office und ich somit auch. Nur ist es doch sehr schwierig eine Aufgabe zu finden, die ich ohne Probleme von zu Hause aus erledigen konnte, da sich doch immer wieder Fragen ergaben, die nur in der Redaktion beantwortet werden konnten.

Nach dem Sommersemester fragte ich an, ob ich denn noch eine Chance habe mein Praktikum zu Ende zu bringen. Ich konnte im Oktober wieder einsteigen, da zu diesem Zeitpunkt bereits drei andere Studierende ihr Praktikum in der Zentralredaktion absolvierten. Und so machte ich mich Mitte Oktober wieder auf den Weg nach Frankfurt, um mein Praktikum an zwei Präsenztagen in der Woche wieder aufzunehmen. Dabei lernte ich auch den neuen Leiter Herrn Dr. Balázs Mikusi kennen, der die Nachfolge von Klaus Keil übernommen hat.

Um nach sieben Monaten wieder Fuß in der Materie zu fassen, habe ich wie die anderen Praktikanten auch - zunächst wieder Incipits geschrieben. Diesmal allerdings - anhand von Digitalisaten - zu Madrigalen aus Musikdrucken. Dies war jedoch aufgrund der Mensuralnotation mit den verschiedenen Schlüsseln, wie C-1- Schlüssel, F-3-Schlüssel usw. schon recht herausfordernd (RISM ID no. 993103155).

Eine deutlich schwierigere Aufgabe kam später mit den Incipits zu den Handschriften von Carl Ditters von Dittersdorf Werk Hieronymus Knicker (RISM ID no. 450100638) und Johann Balthasar Königs Auf zur Lust, ihr frohen Töne (RISM ID no. 450005294). Dabei mussten neben den Musikincipits auch die Textincipits angegeben werden. Die Textincipits waren sehr schwer zu entziffern. Was lag daran, dass diese in der sogenannten Kurrentschrift geschrieben sind. Mit etwas Übung konnte ich auch diese Aufgabe, teilweise von zu Hause aus bewältigen, da wir immer nur zwei Tage in der Woche vor Ort sein konnten.

An einem weiteren Anwesenheitstag erklärte Alexander Marxen, wie die Personendatenbank aufgebaut ist und welche Probleme es zum Teil gibt. Beispielsweise sind die unterschiedlichen Schreibweisen eines Namens immer wieder problematisch. Aber auch Pseudonyme sind immer wieder schwer einer bestimmten Person zuzuordnen. Auch hat er uns die VIAF - die Virtual International Authority File - vorgestellt, ein Portal, die die Datensätze der vielen verschiedenen Nationalbibliotheken vereint.

Alles in allem fand ich das Praktikum trotz Corona wirklich sehr spannend. Anfangs dachte ich, da ich mit klassischer und alter Musik wirklich wenig zu tun habe, da ich aus der Blas- und Jazzmusik komme, dass es schwierig werden könnte, mich in die Materie rein zu finden. Aber ich fand es wirklich richtig interessant. Auch das Arbeitsklima empfand ich als sehr angenehm. Ich wurde zu Beginn sehr nett empfangen, jeder kümmerte sich um mich, wenn es ein Problem gab. Auch dass ein Praktikum während der Corona-Pandemie überhaupt möglich gemacht wurde, beziehungsweise, dass es möglich war, das Praktikum während einer so nie dagewesenen Situation zu Ende bringen zu können, möchte ich an dieser Stelle noch einmal sehr positiv erwähnen. Ich würde ein Praktikum in der RISM-Zentralredaktion jedem empfehlen, selbst wenn man über das Studium hinaus keinen großen Bezug zur klassischen Musik von 1600 bis 1850 hat.

Abbildung: Johann Balthasar König, Auf zur Lust ihr frohen Töne, RISM ID no. 450005294, D-F Ms.Ff.Mus. 1571

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