Finde den Fehler!
Kristina Krämer
Thursday, November 14, 2019
Bei der Überarbeitung der zahlreichen Sammeldrucke, die von John Playford seit etwa 1650 herausgegeben wurden (mit Titeln wie Catch that Catch can; Musicks Recreation oder Select Ayres and Dialogues), fiel der Eintrag von B/I 1653|7 (Select Musicall Ayres and Dialogues […] Printed by T[homas] H[arper] for John Playford) besonders ins Auge, denn das digitalisierte Exemplar der British Library (GB-Lbl F.51.b) entpuppte sich als Kuriosum: Die fehlende Titelseite wurde hier durch eine handgeschriebene ersetzt, die allerdings der gedruckten auf den ersten Blick so ähnlich sieht, dass man sie leicht verwechseln könnte. Bei genauerem Hinsehen offenbaren einige Stellen, dass der Schreiber vermutlich nicht professionell ausgebildet war: in der rechten oberen Ecke begann er mit dem Kopieren des Ornamentrahmens, brach diesen jedoch (vermutlich als aussichtsloses Unterfangen) nach wenigen Elementen wieder ab. Die mit Blei gezogenen Hilfslinien für den Rest des Rahmens sind nach wie vor zu sehen. Auffällig ist auch das seitlich stark abfallend geschriebene Wort „Ayres“ in der siebten Zeile.
Ein weiterer sonderbarer Aspekt ist die Vignette mit Laute, Theorbe und Noten. Hier könnte man vermuten, dass der Schreiber diese aus einem anderen Exemplar des Drucks ausgeschnitten und auf dieses Titelblatt geklebt hat. In der Tat wurde die Vignette aufgeklebt, aber auch sie ist von Hand gezeichnet. Erkennen lässt sich das etwa an der zu tief angesetzten Lilie in der oberen rechten Ecke sowie an den fehlenden Blattadern im Kranz. Außerdem sind dem Schreiber beim Kopieren der aufgeschlagenen Noten Fehler unterlaufen: am Anfang des Systems hat er einen Schlüssel ergänzt, die zweite Note ist ein d, obwohl sie eigentlich aussehen sollte wie ein e, die Köpfe der zweiten und dritten Note sind im Original nicht ausgemalt und im dritten Takt war offenbar kein Platz übrig für eine zweite Note. Übrigens ließ sich das notierte Lied bisher nicht identifizieren – Hinweise sind also sehr willkommen.
Wann, von wem und warum könnte die Titelseite ersetzt worden sein? Mutmaßlich geschah dies in nicht allzu lange nach der Veröffentlichung, als der Band noch aktuell war und zum Musizieren genutzt wurde. Möglicherweise war das gedruckte Titelblatt stark beschädigt worden oder gar verloren gegangen. Anhand des ursprünglichen Blattes oder eines geliehenen Exemplars hätte der Schreiber den Titel dann detailgetreu kopieren können.
Der Einband samt marmorierter Vorsatzblätter (die erst im 18. Jh. weit verbreitet waren) stammt vermutlich aus späterer Zeit, zumal es sehr unwahrscheinlich ist, dass es sich beim Schreiber um ein Mitglied des Hosenbandordens (s. das Symbol auf dem Buchdeckel) handelte oder ein solches Mitglied einen zwar fleißigen, aber nicht professionellen Schreiber engagierte. Nebenbei sei angemerkt, dass sich in der Sammlung der British Library neben weiteren Bänden mit Symbol des Hosenbandordens auch ein Band findet, dessen Einband und Vorsatzblätter darüber hinaus fast identisch mit jenen von F.51.b. sind: Johann Wolfgang Francks Remedium melancholiæ (A/I F 1623; GB-Lbl G.90.). Welchem Ordensmitglied könnten die Bände gehört haben?
Fällt Ihnen noch etwas Besonderes auf? Oder kennen Sie vergleichbare Fälle?
Abbildung: Titelseite von GB-Mr 1408 (Das Exemplar ist bereits in die RISM-Datenbank nachgetragen und wird mit dem nächsten Katalog-Update zu sehen sein) und die Titelseite von GB-Lbl F.51.b.
Share Tweet EmailKategorie: Eigendarstellung