Kongresstagebuch zu IAML Leipzig 2018
Thursday, August 23, 2018
Vier Mitarbeiter der RISM-Zentralredaktion nahmen am jährlich stattfindenden Kongress der International Association of Music Libraries, Archives and Documentation Centres in Leipzig teil. Der Tradition des Kongresstagebuchs folgend schildern wir - jeder in seiner Muttersprache - unsere Eindrücke.
Von Klaus Keil: Meine Aufgabe auf dem Kongress in Leipzig war es, RISM so umfangreich wie möglich präsent zu machen. Dazu hatten meine KollegenInnen und ich, sowie diverse MitarbeiterInnen aus Ländergruppen so viel Gelegenheit wie bisher noch nie:
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Wir hatten am Dienstag, 24. Juli, vier Muscat-Workshops in englischer und zwei in deutscher Sprache.
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Am Mittwoch, 25. Juli, konnte Jennifer Ward eine Sitzung der Cataloguing Commission ausschließlich mit RISM-Referaten leiten.
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Am Donnerstag, 26. Juli, nahmen über 30 Personen an der Sitzung des Advisory Council teil. Das Commission Mixte Meeting war nicht öffentlich.
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Am Freitag, 27. Juli, fand die von mir geleitete Open Session statt. Kurzfristig hatte sich Frau Ward daneben noch für die Hot-Topics Session angemeldet.
Neben diesen “offiziellen” RISM-Veranstaltungen waren RISM Ländergruppen MitarbeiterInnen beteiligt an sechs weiteren Veranstaltungen, worunter vor allem die von Sonia Wronkowska geleitete Sitzung “Cataloguing and documenting music manuscripts around the world” hervorstach, in der die griechische Arbeitsgruppe und die Chinese Speaking Region Working Group ausführlich zu Wort kamen.
RISM wurde ansonsten bei vielen Vorträgen genannt, angefangen vom Eröffnungsvortrag durch Peter Wollny, bei Roland Schmidt-Hensels und Sabine Kurths Bericht über das Archiv des Schott Verlags und vielen mehr.
Von Martina Falletta: Eine Dienstreise in die traditionsreiche Musikstadt Leipzig lässt man sich nicht entgehen. Es war schön, so viele Kollegen wieder getroffen und neue Kontakte geknüpft zu haben. Neben den zahlreichen informativen und interessanten Vorträgen begeisterte mich vor allem eine gut 30-minütige Führung durch die Deutsche Nationalbibliothek (DNB). Der Leipziger Standort ist seit 2010 auch Sitz des Deutschen Musikarchivs (DMA).
Das Hauptgebäude am Deutschen Platz wurde im September 1916 eingeweiht. Der allgemeine Lesesaal hat ein ganz eigenes Flair und wirkt sehr imposant (siehe Foto). Bis heute hat das Gebäude mehrere Erweiterungsbauten erfahren, die sich in ihrer Gestaltung sehr voneinander abheben. Neue Arbeits- und Magazinbereiche für das DMA wurden im vierten Erweiterungsbau realisiert. Das Foyer zum Musiklesesaal ist einladend mit Tonträgern, Noten und Tonabspielgeräten gestaltet und die Hörkabine mit Surroundsystem sowie der Tonstudiokomplex sind auf höchstem technischen Niveau. Der flauschige Teppichboden vermeidet ungeliebte Schrittgeräusche. Die Atmosphäre ist insgesamt sehr gedämpft. Im Musiklesesaal stehen 18 Audioarbeitsplätze zur Verfügung, an vier davon stehen auch Klaviaturen zum Anspielen von Noten bereit.
Von Guido Kraus: Für mich war der Leipziger IAML-Kongress in diesem Jahr eine willkommene Urlaubsunterbrechung schon alleine wegen der Attraktivität der Veranstaltung und des Veranstaltungsortes. Ursprünglich dachte ich daran, meinen Sommerurlaub mit den letzten IAML-Tagen zu beenden, um an den Veranstaltungen des RISM teilzunehmen, wobei die beiden geplanten Muscat-Workshops des RISM auf den Beginn des Kongresses gelegt waren. Doch im Vorfeld stiegen die Anmeldungen für die Workshops so stark an, dass wir uns gezwungen sahen, insgesamt sechs Workshops anzubieten: vier in englischer und zwei in deutscher Sprache. Also warf ich meine Pläne um und reiste bereits montags an, um zwei der Workshops übernehmen zu können. Nach meiner Anreise ging es am Montagabend gleich in die Deutsche Nationalbibliothek zu einer Führung mit Empfang. Was mir besonders gefiel, waren die einzelnen Gebäudeabschnitte, die die Zeitläufte an Architektur und Innenausstattung von der Kaiserzeit bis heute sichtbar machten. Es war ästhetisch zum Teil sehr reizvoll. Die Prägungen durch das Bauhaus zum Beispiel oder durch den Brutalismus waren unübersehbar. Am Dienstag fanden unsere Muscat-Workshops statt, die englischen am späten Vormittag und die deutschen nachmittags. Vor der Arbeit hatte ich noch Gelegenheit, die Sektion „Rethinking Women Composers in East Asia“ zu besuchen. Die Vorträge unserer ostasiatischen Kolleginnen haben mich alle sehr beeindruckt, wobei ich den Vortrag von Seung Im Seo von der Nationaluniversität Taiwan besonders spannend fand. Ihr Vortrag hieß „Teacher or Composer? Examining the first generation of women composers in China and Taiwan“. Beispielhaft skizzierte sie Leben und Werk der rotchinesischen Komponistin Hsiao Shu-hsien (1905-1991) und von Lai Swan Den-fang (1920-2009), einer Anhängerin der sogenannten Republik China auf Taiwan. Sie stellte dabei die deutlichen biographischen Parallelen der politisch so unterschiedlich eingestellten Komponistinnen heraus. Beide studierten in Europa, beide schufen musikpädagogische Werke für Kinder, versuchten eine nationale Musik zu kreieren, die Nationalstolz und Heimatliebe zum Inhalt hatte vor dem Hintergrund der jeweils so unterschiedlichen politischen Verhältnisse in Taiwan und auf dem chinesischen Festland. Nichtsdestotrotz gelang es beiden Komponistinnen neben der funktionalen Musik mit ihren erzieherischen und propagandistischen Anteilen, autonome Musik zu schreiben, die es wert ist, heute entdeckt zu werden.
Am Mittwochmorgen hatte ich vor meiner Abreise noch Gelegenheit, zwei wunderbare Vorträge meiner polnischen Kolleginnen Magdalena Walter-Mazur und Ewa Hauptman-Fischer in der Sektion „Improving access to musical sources“ zu hören. Magdalenas Vortrag handelte vom Musikbestand in der polnischen Diözesanbibliothek von Sandomierz. Dabei fokussierte sie den Blick auf die im Bestand vorkommenden Kontrafakturen von Opernarien verschiedener klösterlicher Provenienzen und verwies auf das klösterliche Musikleben verschiedener Frauen- und Männerorden im 18. Jahrhundert, auf ihre Aneignung weltlicher Musikstile im Musikleben ihrer Klöster.
Ewa versuchte in ihrem Vortrag eine Rekonstruktion des klösterlichen Musiklebens der Zisterzienserabtei von Rudy (Groß Rauden) im 18. Jahrhundert. Zur Zeit sind nicht mehr als drei handschriftliche Musikquellen aus dieser Zeit bekannt, so dass eine Darstellung des Musiklebens in der Abtei von Groß Rauden nur eine Rekonstruktion auf der Basis anderer nichtmusikalischer Quellen sein konnte. Dazu gehörten das Klostertagebuch, das Verzeichnis der Klosterinsasssen, Bericht und Dokumente einer Reise von Mönchen aus Rudy nach Citeaux. Nach der Sektion kehrte ich dann neu inspiriert an den Ostseestrand zurück.
By Jennifer Ward: After all the sessions, meetings, workshops, and concerts that filled the first part of my IAML week, I was looking forward to the respite offered by the Wednesday afternoon excursions. My tour took me to the nearby town of Rötha to listen to two organs built by the famous organ builder Gottfried Silbermann (1683–1753). I’m not an organist, but it seemed to me that the chance to see and hear well-preserved Baroque organs was too good to pass up, and it would fit in perfectly with a book I had just read about historical performance pitch. It was either that or the Leipzig Zoo.
Our guides first took us to the St. Marienkirche to hear about the 16th-century church and the organ from 1722 (first organ picture). The second organ we saw, in the medieval Georgenkirche, was actually built first and completed in 1721 (second organ picture). We learned that the organ in the Marienkirche was removed during World War II and afterwards used in Leipzig and Berlin before returning to the Marienkirche in 1960. This was interesting to hear because it made me think about the relationship between the instrument and the room it occupies. Silbermann was very intentional with instrument design and a space’s acoustics, and as it turned out apparently people weren’t pleased with the sound of the organ when it was played outside of Rötha. The wooden ceiling in the Georgenkirche was added in the 19th century, so the space isn’t completely authentic, but my ears weren’t disappointed. The church organist, Jihoon Song (who studied at the Hochschule für Musik und Theater Leipzig), told us that the sound of an organ playing Baroque music should ideally reverberate in the room for two to three seconds before it dies out. The Rötha organs have a reverberation period of about 2.5 seconds, so in other words: perfect.
These ideal acoustics were on full display in the two concerts Song gave. The selection of music, which began with Johann Sebastian Bach and ended with Denis Bédard, demonstrated that the Baroque instruments can also meet the demands of 20th-century music. Up close where we sat in the organ loft, the physical requirements of organ playing were on display (normally hidden from view when you’re sitting in a church pew below) and I enjoyed watching the mechanics of the keyboard, the stops, and the pedals. Some of the modern music even required an assistant to help with all the stops—even choreographing the dance of when to pull, when to push, and what side to stand on would have required a bit of rehearsal time.
In between the organ tours, we had a small break in which I wandered around the town to look at the historic water tower (alas, covered by scaffolding) and find some postcard stamps. I also saw an outdoor yellow tiled mural that reminded me of the Fürstenzug in Dresden. The Rötha version is a chronology of the town and if you look at the 1700s you can find the two Silbermann organs featured prominently (see picture).
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