RISM beim IMS-Kongress in Tokio
Thursday, April 20, 2017
Ich (Jennifer Ward) nahm am Kongress der International Musicological Society (IMS) in Tokio vom 19. bis 23. März 2017 teil, unterstützt von Bibliothek & Information International/Goethe-Institut. Der Kongress wurde von der Tokyo University of the Arts veranstaltet und beschäftgite sich mit Themen zu Musicology: Theory and Practice, East and West.
RISM (und die anderen drei R Projekte) wird von der IMS und IAML (der International Association of Music Libraries, Archives and Documentation Centres) unterstützt. Während IAML-Treffen jährlich stattfinden, sind IMS-Kongresse eine seltenere Angelegenheit, da sie nur alle fünf Jahre ausgerichtet werden. Dieser war mein erster IMS-Kongress und er kann als riesig beschrieben werden: über 600 Teilnehmer; eine Unmenge an Vorträgen, Roundtables, Sitzungen und Referaten; manchmal 10 Veranstaltungen und mehr gleichzeitig. Es war unmöglich alles aufzunehmen.
Eine gemeinsame “R session” erlaubte allen R-Projekten über die neuesten Entwicklungen zu berichten. Die RISM-Präsentation übernahm der Leiter der Zentralredaktion Klaus Keil und zeigte einige Funktionen des Online-Katalogs sowie Muscat, das neue Erfassungsprogramm des RISM.
Die Hauptsitzung des RISM nannte sich “Research Tool(s) for Source Studies.” Andrea Lindmayr-Brandl stellte das Projekt Music Printing in German-Speaking Lands: From the 1470s to the Mid-16th Century vor und zeigte wie die Daten des RISM als Ausgangspunkt verwendet werden, um sie dann detaillierter anzureichern. Mit Klaus Keil präsentierte ich “The RISM Online Catalog and Beyond: Using, Reusing, and Contributing RISM Data in Musicological Projects.” Wir beschrieben verschiedene Möglichkeiten für eine Suche in den RISM-Daten und richteten den Blick darauf wie RISM und Musikwissenschaftler zusammen arbeiten können. Muscat machte einen guten Eindruck auf die Zuhörer und es scheint, dass viele Musikwissenschaftler offen für diese neue Programm sind.
Mein zweiter Grund dem IMS-Kongress beizuwohnen, war das Treffen (eine nicht öffentliche Sitzung) der Commission Internationale Mixte des RILM. Ich bin eine von vier IAML-Vertretern in der Kommission und nahm erstmals an diesem Treffen teil. Die Kommission trifft sich einmal im Jahr.
Es war eine besondere Freude unsere Kollegen von RISM Japan auf dem Kongress zu treffen. Wir hatten auch ein Treffen mit dem Präsidenten von IAML Japan, Tsuneko Arakawa, und unserem RISM Japan Koordinator, Yumiko Hasegawa arrangiert. Beide Kollegen vertreten die Meinung, dass japanische Bibliotheken am besten ihre Daten direkt aus den Bibliothekskatalogen in die RISM Datenbank überführen sollten. Sie gaben uns eine Liste von einer handvoll Bibliotheksnamen mit relevanten Musikquellen und beschrieben uns die Sammlungen. Wir hoffen mit diesen Bibliotheken in Kontakt zu kommen, um eine Zusammenarbeit vereinbaren zu können.
In Tokio besuchte ich so viele Bibliotheken udn Archive wie möglich. Zunächst das Tokyo University of the Arts’ Archive Center, das eine Ausstellung von Materialien zu Yamada Kosaku (1886 -1965) zeigte. Zu sehen waren Dokumente, Fotos und Manuskriptpartituren des Komponisten und Dirigenten. Diese werden nach und nach digitalisiert und online verfügbar gemacht.
Musikhandschrift von Yamada Kosaku auf dem Bildschirm des Archive Center
Danach besuchte ich die Universitätsbibliothek unserer gastgebenden Institution. Die Bibliothek unterstützt den Auftrag der Universität und ist mit ca. 490.000 Bänden einer der größten Kunstbibliotheken Japans. In der Musikabteilung fand ich die lange Reihe der gedruckten RISM Bände, einschließlich des neuesten von 2016!
Zu den Highlights aus den Sondersammlungen der Bibliothek (die nicht ausgestellt waren, aber eine Beschreibung kann auf der Website gefunden werden) gehören Musikbücher aus der Edo-Zeit, Bücher mit Musik für Koto (eine Art Harfe) und einige seltene gedruckte Musik von europäischen Komponisten. Es scheint, dass einige dieser Materialien digitalisiert und stehen online
Unabhängig vom Kongress arrangierte ich eine Tour durch die National Diet Library und die Tokyo Metropolitan Library.
Die National Diet Library (NDL) dient, wie der Name schon sagt, als Präsenzbibliothek für die Mitglieder des Diet (Parlament), ist aber de facto die Nationalbibliothek Japans. Der Hauptzweck der NDL ist die Unterstützung des Parlaments bei seinen Informationsbedürfnissen im Zusammenhang mit der Gesetzgebung, aber sie sieht ihre Aufgaben auch in der Entwicklung von Informationsressourcen für Japan sowie in der Gewährleistung des Zugangs zu diesen Informationsressourcen.
Die NDL sammet, bewahrt, restauriert und macht alle in Japan erscheinenden Veröffentlichungen (einschließlich des elektronischen Materials) verfügbar. Dies schließt auch die Mangas ein. Die Sammlung der japanischen Comics füllt die Regale farbenfroh aus. Die Bibliothek sammelt diese Mangas seit den späten 1960er Jahren.
Die Manga-Sammlung in der NDL
Meine Bibliotheksführerin war Yuko Kumakura. Sie gestaltete eine ausgezeichnete Führung mit vielen Musikalien ud wertvollen Informatinen zu den Sammlungen der NDL. Frau Kumakura führte uns durch die öffentlichen Bereiche und einige Lesesäle (einschlißelich Geisteswissenschaften und Hörstationen) sowie ins Magazin.
Frau Kumakura präsentierte uns den Online-Katalog, der auch auf Englisch zur verfügung steht, und zeigte uns wie man nach Musikalien über die Klassifikation YM* suchen kann. Sie führte uns auch eine separates System für eine tiefergehende Suche nach den Inhalten der Musikpartituren vor; wobei hier Japanischkenntnisse von Vorteil sind. Wir Bibliothekare lernten somit einige über die NDL’s Normdaten, das Klassifikationsschema und die Struktur der OPAC-Einträge.
Die Bibliothek hat einige Spezialsammlungen zur Musik. Eine Sammlung von 600 Musikhandschriften aus dem Besitz des Komponisten Hikaru Hayashi (1931–2012) wurde kürzlich den Wissenschaftlern durch die NDL zur Verfügung gestellt. (Hier finden Sie einige Fotos der Präsentation der Sammlung im Jahr 2016.) Einige Handschriften wurden digitalisiert, können aber aus urheberrechtlichen Gründen nur vor Ort eingesehen werden. Eine andere Sammlung ist die Historical Recordings Collection, die als Ergebnis einer Partnerschaft zwischen der NDL und verschiedenen anderen Institutionen (auch des Japanischen Kulturinstituts in Köln) mehr als 50.000 frühe japanische Tonaufnahmen bewahrt. Die NDL bieten diesen Dienst an, während die Aufnahmen selbst Eigentum der jeweiligen Institution sind.
Die letzte Bibliothek, die ich besuchte, war die Tokyo Metropolitan Central Library. Hier gab es keine Führung, sondern ich sah mich selbst um. Es ist die größte öffentliche Präsenz-Bibliothek in Japan. Die Bibliothek fungiert als Forschungsbibliothek für die Einwohner von Tokio und bietet ca. 1.000 Sitzplätze an. Die Sammlung der Bibliothek enthält zwei Millionen Bände mit einem Schwerpunkt auf Informationen über Städte der ganzen Welt, Volkszählungsberichte und Kulturgüter. Einige Regale füllen die Bücher zur Musik und Musikgeschichte im Lesesaal der Geisteswissenschaften. Eine Spezialabteilung bewahrt über 243.000 Einheiten zur frühen Geschichte Tokios auf. Die Tokyo Metropolitan Central Library hat auch eine große Sammlung mit fremdsprachigem Material (10% des Bestands).
Die Musikabteilung der Tokyo Metropolitan Central Library
Es war der erste IMS-Kongress, der in Asien stattfand. Er bot die Möglichkeit unsere japanischen Kollegen zu sehen, die wir selten persönlich treffen, und viele andere Musikwissenschaftler aus der ganzen Welt. Ich danke dem BI-International für die Unerstützung meiner Teilnahme an diesem Kongress. Weiterhin danke ich den Organisatoren des IMS Kongresses für die Gastfreundschaft. Ich hoffe, alle 2022 in Athen wiederzusehen!
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